Die EU-Staaten sind sich im Ukraine-Konflikt weitgehend einig über eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland. "Ich sehe keine strittigen Diskussionen auf uns zukommen", sagte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Montag zu Beginn eines Treffens der EU-Außenminister in Brüssel. Er fügte hinzu, falls die Präsidentenwahl vom 25. Mai nicht zustandekomme, "dann müssen wir auch über weitergehende Sanktionen reden".
Der österreichische Ressortchef Sebastian Kurz sagte, er rechne damit, dass unter anderem zwei Unternehmen, die auf der von Russland annektierten Krim ansässig seien, auf eine neue schwarze Liste der EU kämen. Kurz warnte aber vor umfassenden Wirtschaftssanktionen, die die Staats- und Regierungschefs im März für den Fall einer weiteren Destabilisierung der Ukraine angedroht hatten.
Man solle diese Strafen "nicht herbeisehnen", sagte Kurz. "Denn sie würden nicht nur Russland schaden, sondern sie würden definitiv auch uns schaden." Die EU müsse behutsam mit Sanktionen als Reaktion auf ständige Provokationen Russlands sein. "Würden wir nämlich bei jeder Provokation eine Sanktionsstufe weitergehen, dann hätten wir mittlerweile schon Krieg."
An den Beratungen der EU-Minister nahm auch der schweizerische Präsident Didier Burkhalter als derzeitiger Präsident der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) teil. "Wir machen alles, was wir können, um die OSZE zu stärken und Burkhalter zu unterstützen, damit wir es fertigbringen, einen innerukrainischen Dialog aufzubauen", sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Mehrere Außenminister erklärten, das sogenannte Referendum im Osten der Ukraine sei illegal.
Donezk und Lugansk sehen sich nach "Wahl" gefestigt
Die abtrünnigen ostukrainischen Gebiete Donezk und Lugansk sehen nach umstrittenen Referenden ihren Status als "Volksrepubliken" gefestigt. In Lugansk hätten sich knapp 96 Prozent für eine Unabhängigkeit von der Zentralmacht in Kiew ausgesprochen, teilte der Vizechef der selbst ernannten Wahlkommission, Alexander Malychin, der Agentur Interfax zufolge am Montag mit. Die Beteiligung bei der Abstimmung am Sonntag habe im Gebiet Lugansk bei 81 Prozent gelegen.
In Donezk gab "Wahlleiter" Roman Ljagin die Zustimmung für eine Selbstständigkeit des Gebiets mit 89 Prozent an. Knapp 75 Prozent der Abstimmungsberechtigten hätten sich beteiligt. Die Lage in der Region Donbass sei weiter extrem gespannt. Wegen blutiger Kämpfe zwischen prorussischen Kräften und ukrainischen Regierungstruppen könnten Mitarbeiter die Stimmzettel nur unter Lebensgefahr einsammeln.
Die prowestliche Regierung in Kiew erkennt die Ergebnisse nicht an. "Diese Propaganda-Farce hat keine juristischen Folgen - außer Strafverfahren gegen die Organisatoren", sagte Interimspräsident Alexander Turtschinow. Ziel der Initiatoren der illegalen Referenden sei es, die Situation maximal zu destabilisieren, um die ukrainische Präsidentenwahl am 25. Mai zu verhindern.
Turtschinow kündigte eine Fortsetzung der "Anti-Terror-Operation" gegen bewaffnete Separatisten und "Banditen" an, die im Auftrag Russlands die Bevölkerung tyrannisieren würden. Die Staatsmacht hat nach eigenen Angaben die Kontrolle über die Region verloren. Bürger in der Großstadt Lugansk beklagen ein Chaos mit schwer bewaffneten Uniformierten und Marodeuren auf den Straßen.
Internationale Beobachter waren zu der Abstimmung in der Region mit mehr als 6,5 Millionen Einwohnern nicht angereist.
Neue Gefechte in der Stadt Slawjansk ausgebrochen
In der ostukrainischen Stadt Slawjansk haben sich Regierungstruppen erneut Gefechte mit prorussischen Kräften geliefert. Die Separatisten hätten den Fernsehturm sowie Soldaten mit Granatwerfern beschossen, teilte Innenminister Arsen Awakow am Montag bei Facebook mit. Es gebe keine Verletzten. Awakow warf den Kämpfern vor, sich in Wohnungen von Zivilisten zu verschanzen.
Die russische Staatsagentur Ria Nowosti meldete, die Regierungseinheiten hätten Kontrollpunkte der Separatisten am Stadteingang angegriffen. Das Mobilfunknetz sei gestört. Die Stadt mit 125.000 Einwohnern wird weitestgehend von den Separatisten beherrscht und ist vom Militär umstellt, das mit einem "Anti-Terror-Einsatz" die Macht in der Region zurückgewinnen will.
Im Gebiet Donezk ist nach einem Radiobericht ein Journalist der kremlkritischen Zeitung "Nowaja Gaseta" verschleppt worden. Pawel Kanygin habe in der Nacht noch eine SMS mit einer Bitte um Hilfe an mehrere Kollegen abschicken können, berichtete der Sender Echo Moskwy. Nun sei Kanygins Telefon nicht mehr erreichbar. Für die vom Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow mitgegründete "Nowaja Gaseta" hatte auch die 2006 ermordete Kremlkritikerin Anna Politkowskaja gearbeitet.
dpa/alk/jp - Bild: Genya Savilov (afp)