In der krisengeschüttelten Ukraine wächst die Hoffnung auf einen Dialog der Konfliktparteien. Die prowestliche Führung in Kiew betonte, sie wolle Gespräche mit politischen Kräften und Vertretern sowie der Gesellschaft in den russisch geprägten Regionen im Südosten des Landes führen.
Übergangspräsident Alexander Turtschinow schloss allerdings am Mittwoch Verhandlungen mit den Kämpfern aus, die "Blut an den Händen" hätten. Das ukrainische Außenministerium betonte in einer Mitteilung: "Ein Dialog mit Terroristen ist unmöglich und unvorstellbar." Schuld an dem Konflikt, bei dem in den vergangenen Wochen Dutzende Menschen getötet und Hunderte verletzt wurden, habe "die russische Aggression gegen unser Land", hieß es.
Zuvor hatte einer der Anführer der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk", Denis Puschilin, gesagt, er sei bereit, sich mit der Regierung an einen Tisch zu setzen. Es gehe darum, weiteres Blutvergießen zu verhindern. Er sei aber skeptisch, ob Kiew darauf eingehe, sagte Puschilin dem russischen Staatsfernsehen.
Prorussische Kräfte in Ostukraine verschieben Referendum nicht
Ungeachtet der Aufforderung von Kremlchef Wladimir Putin verschieben die prorussischen Kräfte in der Ostukraine ihr geplantes Referendum über eine Unabhängigkeit nicht. "Das Referendum findet am 11. Mai (Sonntag) statt", sagte Miroslaw Rudenko, einer der Separatistenführer, am Donnerstag der Agentur Interfax. Diese Entscheidung habe der Volksrat der selbst ernannten "Volksrepublik Donezk" getroffen, sagte Rudenko.
Putin hatte am Vortag die "Anhänger einer Föderalisierung" aufgerufen, die Volksabstimmung zu verschieben, um die notwendigen Bedingungen zu schaffen. Er hatte auch die ukrainische Führung in Kiew aufgefordert, ihre "Anti-Terror-Operation" im Osten des Landes zu beenden, was diese aber zunächst ablehnte.
Bei dem Referendum sollen mehr als drei Millionen Einwohner der russisch geprägten Gebiete Donezk und Lugansk entscheiden, ob sie eine Abspaltung von der prowestlichen Zentralregierung in Kiew unterstützen. Gestellt wird die Frage nach einer staatlichen Eigenständigkeit der Region.
Ein weiteres Führungsmitglied der moskautreuen Kräfte, Andrej Purgin, sagte der russischen Staatsagentur Itar-Tass: "Das ist nicht unsere Entscheidung, das ist die Entscheidung des Volkes der Region Donbass." Die Bevölkerung habe nun erstmals die Chance auf eine "Heldentat", und niemand sei berechtigt, ihr diese zu nehmen.
Der einflussreiche russische Außenpolitiker Alexej Puschkow betonte: "Die ukrainische Krise ist längst nicht vorbei. Ein Teil des Landes hasst die Führung und erkennt sie nicht an, Faschisten verbrennen Menschen, die Milizen geben nicht auf", schrieb Puschkow bei Twitter.
EU lehnt Separatisten-Referendum grundsätzlich ab
Die Europäische Union lehnt das von den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine geplante Referendum grundsätzlich und unabhängig von einem möglichen Datum ab. "Wir denken, dass ein solches Referendum weder am 11. Mai noch an irgendeinem anderen Datum stattfinden sollte", sagte eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton am Donnerstag in Brüssel. "Es hätte keine demokratische Legitimation und könnte nur zu einer weiteren Eskalation der Lage führen." Die EU unterstütze die territoriale Integrität der Ukraine.
Die EU bereite weiterhin eine Verschärfung der Sanktionen gegen Russland vor, sagte sie. Anderen Angaben zufolge werden die EU-Außenminister bei einem Treffen an Montag unter anderem entscheiden, ob künftig nicht nur Personen, sondern auch Unternehmen auf eine Sanktionsliste der EU gesetzt werden sollen. Zu Äußerungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Truppen würden aus dem Grenzgebiet abgezogen, sagte die Sprecherin: "Wir verfolgen die Lage an Ort und Stelle sehr genau, um zu sehen, ob den Worten auch Taten folgen." Zu Putins Behauptung, er habe auf die Separatisten keinen Einfluss, sagte sie: "Wir denken weiterhin, dass die Separatisten die Unterstützung Russlands haben."
Nato-Chef: Keine Anzeichen für russischen Abzug
Der angekündigte russische Truppenabzug von der Grenze zur Ukraine lässt nach Angaben von Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen weiterhin auf sich warten. Rasmussen bekräftigte am Donnerstag in Polens Hauptstadt Warschau, dem Verteidigungsbündnis lägen bislang keinerlei Anzeichen für einen Rückzug von Truppen vor. Moskau hatte zuvor erklärt, die Soldaten und die Ausrüstung seien von der Grenze auf die Truppenübungsplätze zurückverlegt worden.
"Ich habe sehr gute Augen", sagte Rasmussen nach einen Treffen mit Polens Regierungschef Donald Tusk unter Verweis auf einen Tweet des russischen Außenministeriums. Darin wurde dem Nato-Chef vorgeworfen, blind zu sein. Sollte es sichtbare Zeichen eines Rückzugs russischer Truppen geben, wäre er der Erste, der dies begrüßen würde, sagte Rasmussen nach Angaben der polnischen Nachrichtenagentur PAP.
Auch Tusk mahnte, die Worte von Russlands Präsident Wladimir Putin über eines Truppenabzug mit Vorsicht aufzufassen. Er gab an, vor seinem Treffen mit Rasmussen mit dem ukrainischen Regierungschef Arseni Jazenjuk gesprochen zu haben.
dpa/est - Bild: Andrew Kravchenko/AFP