Ungeachtet aller Appelle für eine friedliche Lösung in der Ukraine gehen die militärischen Auseinandersetzungen vor allem im Osten des Landes weiter. Die Separatisten haben nach eigenen Angaben Gebäude in wichtigen Städten unter ihrer Kontrolle. Der Vorsitzende der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Didier Burkhalter, wird nach Kremlangaben am Mittwoch (7. Mai) zu Gesprächen über die Ukrainekrise nach Moskau reisen.
Unterdessen forderte der russische Präsident Wladimir Putin in einem Telefonat mit derdeutschen Kanzlerin Angela Merkel laut Kreml einen Dialog der Konfliktparteien in der Ukraine. Putin bekräftigte seine Haltung, wonach die prowestliche Führung in Kiew dringend das Gespräch mit den moskautreuen Protestführern im Südosten des Landes suchen müsse.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wirbt zur Beilegung des Konflikts für eine zweite Genfer Konferenz. Die ursprünglichen Vereinbarungen der USA, Russlands, der Ukraine und der EU - darunter Gewaltverzicht und Entwaffnung aller illegal Bewaffneten - sind bisher nicht umgesetzt worden. Es sei daher nötig, "dass man dem ersten Genfer Treffen jetzt ein zweites Genfer Treffen folgen lässt, in dem endlich klare Verabredungen getroffen werden, wie man diesen Konflikt zum Stillstand bringt und nach und nach einer politischen Lösung zuführt", sagte Steinmeier im ARD-"Bericht aus Berlin".
Slawjansk: Verletzte bei neuem Vorgehen ukrainischer Einheiten
Militante prorussische Kräfte in der ostukrainischen Stadt Slawjansk (120.000 Einwohner) berichten über neue Angriffe von Regierungstruppen. Mindestens fünf Angehörige der "Selbstverteidigungskräfte" seien am Montag bei Feuergefechten schwer verletzt worden, teilte ein Sprecher des Stabs der Agentur Interfax mit. Angegriffen würden Posten am Stadtrand, hieß es.
"Wir sind durch einen dichten Ring (ukrainischer Einheiten) eingeschlossen. Viele Geschäfte machen zu, weil es keine Waren mehr gibt, mit denen zu handeln wäre", sagte ein Sprecher der Aufständischen.
Prorussische Separatisten haben nach eigenen Angaben zentrale Gebäude in Donezk (eine Million Einwohner) sowie in weiteren Großstädten wieder unter ihrer Kontrolle. "Wir haben die Verwaltungsgebäude in den entscheidenden regionalen Zentren eingenommen", sagte der Anführer der selbst ernannten Volksmiliz, Miroslaw Rudenko, am Sonntag der Agentur Interfax. Allgemein sei die Lage ruhig, die Gefechte seien am Abend vorübergehend eingestellt worden.
Auch in Kramatorsk (160.000 Einwohner) seien die wichtigsten Gebäude in den Händen der Separatisten. Dagegen hatte die prowestliche Regierung in Kiew am Morgen mitgeteilt, die Streitkräfte hätten die Ordnung in Kramatorsk nördlich von Donezk wieder hergestellt. Die Agentur Ria Nowosti meldete, in Kramatorsk sei die Zentrale des Inlandsgeheimdienstes SBU in Flammen aufgegangen.
Blutige Auseinandersetzungen
Mit Kampfhubschraubern und Panzerfahrzeugen gingen Regierungstruppen am Sonntag erneut gegen prorussische Separatisten vor, es gab Tote und Verletzte. Der "Anti-Terror-Einsatz" werde fortgesetzt, kündigte Innenminister Arsen Awakow in Kiew an.
Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern der prowestlichen Regierung in Kiew gehen auf andere Landesteile über. In der Schwarzmeermetropole Odessa stürmte eine mit Knüppeln bewaffnete Menge am Sonntag den örtlichen Sitz der Polizei, um moskautreue Gesinnungsgenossen zu befreien. Spezialeinheiten drängten die Angreifer laut örtlichen Medienberichten zuerst zurück. Unter dem Druck der Demonstranten ließ die Polizei dann aber doch nach offiziellen Angaben 67 Personen frei.
Bereits am Freitag lieferten sich die Kontrahenten in Odessa schwere Straßenschlachten. Dabei wurde das zentrale Gewerkschaftshaus in Brand gesetzt, wo Dutzende Menschen starben. Die Staatsanwaltschaft zählte insgesamt 46 Tote und 214 Verletzte.
Angesichts der nicht enden wollenden Gewalt streiten Russland und die ukrainische Führung darüber, wer dafür verantwortlich ist. Kiew verantworte ein "Blutvergießen, das schießende Truppen an unbewaffneten Menschen" anrichteten, erklärte das Außenamt in Moskau. Awakow sagte jedoch: "Wir werden weiter gegen Extremisten und Terroristen vorgehen, die Gesetze ignorieren und das Leben der Bürger gefährden."
Ukraine wirft Russland Kriegstreiberei vor
Der ukrainische Interimspräsident Alexander Turtschinow hat Russland Kriegstreiberei vorgeworfen. "Es ist ein Krieg gegen unser Land im Gange vonseiten der Russischen Föderation - sowohl im Osten als auch im Süden des Landes", sagte Turtschinow dem Kiewer Fernsehsender 5. Kanal. Russland versuche weiter, die Lage vor der Präsidentenwahl am 25. Mai "völlig zu destabilieren".
Dabei habe Moskaus Führung im Osten der Ukraine ihre Pläne bereits verwirklicht. Auch das russische Staatsfernsehen strahlte am Montag den Teil des Interviews aus, in dem Turtschinow einräumte, dass es in der Region Sympathien für eine Abspaltung von der Ukraine gebe.
"Sagen wir doch mal ehrlich: Die Bürger dieser Regionen unterstützen die Separatisten, sie unterstützen die Terroristen, was die Durchführung der Anti-Terror-Operation erheblich erschwert", sagte der Interimspräsident in dem auch in Moskau gezeigten Fragment.
Erschwerend komme hinzu, dass die Polizei mit den prorussischen Kräften sympathisiere. "Das ist ein kolossales Problem", sagte Turtschinow. Der Politiker warf dem im Februar gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch vor, die "Provokationen" zu finanzieren. Janukowitsch hält sich in Russland auf.
dpa/sh - Bild: Alexander Khudoteply (afp)