Die Berichterstattung über den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine ist alles andere als angebracht. Der Ton nähert sich zunehmend drittklassigen Sensationsmeldungen. Das öffentliche Interesse verhält sich in etwa wie in einem hollywoodschen Psychothriller.
Zu viele empfinden bei den schockierenden Bildern in den Nachrichten dasselbe, wie wenn sich im Film von Alfred Hitchcock der Schatten eines Messers langsam dem nichts ahnenden Opfer unter der Dusche nähert.
Ist der letzte Krieg, der Europa direkt betraf, schon so lange her, dass wir die Grausamkeit und das Elend, die Kampfhandlungen mit sich bringen, gar nicht mehr fassen können?
Krieg ist nicht heldenhaft. Krieg bedeutet unendliches Leid, von dem Europa glücklicherweise für lange Zeit verschont wurde. Krieg bedeutet Menschenrechtsverletzungen, auf beiden Seiten. Er bedeutet Armut, tote Soldaten und trauernde Familien. Der Bürgerkrieg in Jugoslawien hat das noch einmal brutal ins Kurzzeitgedächtnis gerufen.
Krieg bringt niemanden weiter, außer die Rüstungsindustrie und diejenigen, die sich im Bunker vor ihrer Verantwortung verstecken und nachher oft genug da weitermachen, wo sie kurz zuvor aufgehört haben. Auch wenn das Filmgenre gerne überdimensionale Schlachten und furchtlose Kriegshelden inszeniert, Moral groß schreibt und Völkermord als Nebenhandlung ins Bild setzt, sollte man nicht der Illusion verfallen, irgendein Krieg hätte auch nur einen Funken Heldentum in sich.
Ein Beispiel: Wenn in "Monuments Men", dem Kriegsfilm von und mit George Clooney, die Protagonisten der Reihe nach lächelnd die Uniform anziehen und sich dabei den passenden Hut zum Outfit aussuchen, fragt man sich fast, warum immer so ein Aufhebens um Völkermord und Traumata gemacht wird. Nach ein paar gepflegten Witzeleien über Training und Munition geht es dann auch gleich zur Sache. "Unser aller Lieblingsdiktator", erklärt George Clooney seinen Kumpanen zu Beginn der Mission.
Während Hollywood also ein neues Genre - die "Kriegskömödie" - schafft, bildet sich vor unserer Tür eine durchaus ernsthafte Bedrohung. Doch wie soll der Zuschauer unterscheiden, wenn derselbe Ton wie im Film auch in der Presse herrscht? Von pseudo-psychologischen Gestikanalysen bis hin zu lustigen Freizeitportraits bringen auch namhafte Medien alles, außer den erschrockenen und drängenden Rufen nach Frieden und Vernunft, die in diesem Fall angebracht sind.
Im Quoten-TV passen Bilder aus Kriegen leider zu gut ins HD-Programm. Deshalb wird es dringend Zeit, mit den Spekulationen über einen möglichen Krieg aufzuhören und mit Nachdruck eine friedliche Lösung des Konfliktes zu fordern. Eine Lösung, bei der die Beteiligten auf beiden Seiten überfällige Empfindlichkeiten ablegen und über eine Lösung im Sinne des Volkes nachdenken. Da müssen wir Journalisten uns auch mal an die eigene Nase fassen.
Dasselbe gilt für die Politik: Diesmal reicht das geheuchelte Mitleid, das wir bei Konflikten anderswo auf der Welt an den Tag legen, nicht aus. Wenn es zum Krieg kommt, sind wir betroffen. Wenn es zum Krieg kommt (und das will niemand hoffen), freuen sich europäische Flüchtlinge vielleicht bald, wenn andere Länder ihre Grenzen nicht zugemacht haben.
Statt Sensationsgier sollten wir deshalb mehr Mitleid empfinden. Echtes Mitleid mit den Menschen vor Ort, das länger anhält als die Woche, die den meisten Themen in den Schlagzeilen gestattet wird. Vielleicht sollten wir unsere Grenzen genau wie unsere Herzen öffnen. Ohne die kindische Angst davor, dass Fremdheit unsere Kultur verwässert.
Kultur ist kein statisches Konstrukt, nur durch neue Einflüsse wandelt sie sich. Doch leider scheint dieser wertvolle Gedanke manchen völlig abhanden gekommen. Man bedenke nur mal die Ergebnisse, die rechten Parteien für die kommenden Wahlen prognostiziert werden.
Und natürlich muss es Bedingungen geben, natürlich kann der Wohlfahrtsstaat nicht noch mehr Arbeitslosigkeit tragen. Aber nur weil einige wenige Extremisten mit leuchtend schlechtem Beispiel voran gehen sollte man nicht die Menschen abweisen, die die schwere Entscheidung getroffen haben, ihre Heimat zu verlassen, weil ihre Kinder nicht mehr gefahrlos zur Schule gehen können. Die Menschen, die aus diesen Gründen herkommen, sollen die Möglichkeit haben, sich zu integrieren und nicht mit langwierigen und komplizierten Prozeduren zur Handlungsunfähigkeit gezwungen werden. Wirtschaftlichkeit und internationaler Zusammenhalt müssen eine neue Balance finden.
Auch in diesem Fall sollte man nicht zuerst an russische Gaslieferungen, sondern an die Menschen denken. Verglichen mit den Reaktionen auf andere Konflikte wird in der Politik in diesem Fall aber mit zweierlei Maß gemessen. Und das, wo gerade vor unserer Haustür Menschenrechte verletzt und demokratische Prinzipien missachtet werden.