Im Ukraine-Konflikt hat US-Außenminister John Kerry von Russland mehr Anstrengungen zur Beruhigung der Lage angemahnt. Wie das US-Außenamt am Dienstag mitteilte, zeigte sich Kerry in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow "zutiefst besorgt über den Mangel an positiven russischen Schritten zur Deeskalation" im Osten des Landes. Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte zuvor mitgeteilt, der während der Ostertage unterbrochene "Anti-Terror-Einsatz" in der Ostukraine sei in vollem Umfang wieder angelaufen.
Moskautreue Separatisten halten nach wie vor in mehreren Orten der Region Verwaltungsgebäude besetzt. Sie fordern einen föderalen Staat mit weitgehenden Autonomierechten für das russisch geprägte Gebiet. Die vom Westen unterstützte Regierung in Kiew geht davon aus, dass die Separatisten massiv von Russland unterstützt werden.
Laut US-Außenministerium verwies Kerry in dem Gespräch mit Lawrow auf zunehmende Beweise, dass die Separatisten immer mehr Gebäude besetzten und Journalisten sowie andere Zivilisten gefangen nähmen. Moskau müsse seine "eskalierende Rhetorik" dämpfen, diplomatisch mit der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) und der ukrainischen Regierung zusammenarbeiten sowie die Besetzer öffentlich zur Aufgabe aufrufen, forderte er demnach. Sollten diese Punkte aus dem vereinbarten Friedensfahrplan nicht eingehalten werden, käme es zu verschärften Sanktionen. Russland fordert, dass auch ultranationalistische und regierungsnahe Gruppen die Waffen abgeben.
Erste Schritte zur Umsetzung der Genfer Beschlüsse
Die OSZE hatte der Regierung in Kiew zuvor vorläufig ein gutes Zeugnis ausgestellt. Der Schweizer Außenminister und OSZE-Vorsitzende Didier Burkhalter lobte in einer Mitteilung "erste Schritte der ukrainischen Behörden" zur Umsetzung der in Genf am 17. April von Russland, den USA, der Ukraine sowie der EU getroffenen Beschlüsse.
Eine Entspannung im Osten des Landes kann die OSZE allerdings nicht ausmachen. "Bisher können wir inoffizielle Informationen, wonach Protestierende in den vergangenen 48 Stunden eine Reihe von administrativen Gebäuden in der Region Donezk verlassen hätten, nicht bestätigen", sagte der deutsche OSZE-Beobachter Mirco Günther der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). Auch sei die Akzeptanz der Genfer Verhandlungsergebnisse vor Ort stellenweise begrenzt.
Über der von bewaffneten prorussischen Kräften kontrollierten Stadt Slawjansk war nach Angaben der Kiewer Regierung am Dienstag ein Beobachtungsflugzeug der Armee beschossen worden. Die Maschine vom Typ Antonow AN-30 sei mehrfach getroffen worden, aber niemand sei verletzt worden. Sie sei zu ihrem Militärstützpunkt zurückgekehrt und weiter einsatzbereit.
Medienberichten zufolge wurde in Slawjansk zudem ein US-Journalist von bewaffneten prorussischen Kräften gefangen genommen. Das US-Magazin "Vice" teilte am Dienstag mit, mit dem Außenministerium in Washington in Kontakt zu stehen, "um die Sicherheit und den Schutz für unseren Freund und Kollegen Simon Ostrovsky zu gewährleisten". Zuvor hatte der selbst ernannte Bürgermeister von Slawjansk, Wjatscheslaw Ponomarjow, nach einem Bericht der russischen Gazeta.ru in einer Pressekonferenz mitgeteilt, dass der Reporter und Filmemacher in den Händen der Separatisten sei. Die OSZE-Beauftragte für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, forderte die sofortige Freilassung Ostrovskys. Die Sprecherin des US-Außenamtes, Jen Psaki, wollte sich nicht direkt zu den Medienberichten äußern.
600 US-Soldaten für Polen, Litauen, Lettland und Estland
Die US-Regierung kündigte derweil an, rund 600 Soldaten nach Polen, Litauen, Lettland und Estland zu schicken. Pentagonsprecher John Kirby sagte, die im italienischen Vicenza stationierten Truppen sollten dort "in den nächsten Monaten und darüber hinaus" an Übungen teilnehmen. Ziel sei eine "andauernde Präsenz". Die je 150 Mann starken Kompanien sollen am Mittwoch in Polen und in den kommenden Tagen im Baltikum eintreffen und nach einem Monat ausgewechselt werden. Hintergrund sei auch der andauernde Konflikt in der Ukraine.
Zuvor hatte US-Vizepräsident Joe Biden bei einem Besuch in Kiew mit Hilfszusagen für die Ukraine der prowestlichen Führung demonstrativ den Rücken gestärkt. Er versprach der Ex-Sowjetrepublik politische und wirtschaftliche Hilfe. So sicherte das Weiße Haus dem nahezu bankrotten Land weitere Finanzmittel für den demokratischen Wandel zu. 50 Millionen US-Dollar (36,2 Millionen Euro) sollten in das Land fließen, um etwa freie Wahlen und anstehende Verfassungsreformen zu unterstützen. Zudem warnte Biden Russland vor noch größerer internationaler Isolierung, sollte Moskau die Aktivisten in der Ostukraine weiter unterstützen.
Russischer Stahlkonzern NLMK übt Druck auf Belgien aus
Der russische Stahlkonzern NLMK hat die belgischen und europäischen Behörden schriftlich vor "verheerenden Folgen" möglicher Wirtschaftssanktionen gegen Russland gewarnt. Das schreibt die Zeitung La Libre Belgique. Demnach wurde der Brief am 25. März verschickt, als die Krimkrise ihren Höhepunkt hatte.
NLMK droht damit, die europäischen Stahlfabriken angesichts ihrer wirtschaftlichen Verluste von jetzt auf gleich fallenzulassen. Tausende Entlassungen seien unvermeidlich, schreibt der Konzern. NLMK unterhält in Belgien Niederlassungen in La Louvière und Clabecq und beschäftigt dort insgesamt rund tausend Personen. Europaweit arbeiten 2.500 Menschen für den russischen Stahlbetrieb.
Wegen der Annexion der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim durch Russland hatten die EU und die USA Strafmaßnahmen gegen Moskau verhängt.
dpa/llb/vrt/jp - Bilf: Antatolii Stepanov (afp)