Unmittelbar vor wichtigen Verhandlungen mit Russland über die Krise in der Ukraine hat die Europäische Union mit umfassenden Wirtschaftssanktionen gegen Russland gedroht. Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte nach einem Treffen seiner EU-Kollegen am Montag in Luxemburg, die Staats- und Regierungschefs könnten sich in der kommenden Woche treffen, "wenn das nötig ist". Sie könnten dann über neue Sanktionen entscheiden.
Der niederländische Außenminister Frans Timmermans sagte auf die Frage nach einem EU-Sondergipfel über Wirtschaftssanktionen: "Das ist allemal möglich. Ich denke, dass das stark abhängig ist von dem, was am Donnerstag passiert." Am Donnerstag treffen sich in Genf die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und die Außenminister Russlands, der Ukraine und der USA zu Gesprächen über die Krise.
Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten im März gedroht, falls Russland die Ukraine weiter destabilisiere, werde es Wirtschaftssanktionen geben. "Wir müssen feststellen, dass es im Osten und im Südosten der Ukraine Aktionen von großer Gewalt gibt, die organisiert sind", sagte Fabius. "Und ganz besonders scheint es klar zu sein, dass Russland eine Verantwortung für diese Gewalt trägt. Davon ausgehend müssen wir handeln."
Milliardenschwere Finanzhilfe für die Ukraine
Die Außenminister entschieden am Montag in Luxemburg nicht über neue Sanktionen. Sie beschlossen aber eine milliardenschwere Finanzhilfe für die Ukraine sowie eine Streichung fast sämtlicher Zölle für Waren aus der Ukraine. Damit soll die wirtschaftliche Lage des vom Staatsbankrott bedrohten Landes stabilisiert werden.
Die Finanzhilfe von einer Milliarde Euro soll zusammen mit bereits früher beschlossenen 610 Millionen Euro in den Haushalt der Ukraine fließen. Voraussetzung dafür ist jedoch die Einleitung politischer und wirtschaftlicher Reformen. Mit dem weitreichenden Verzicht auf Einfuhrzölle wird ein Teil des geplanten Assoziierungsabkommens vorweggenommen. Unter anderem verzichtet die EU auf 95 Prozent der Zölle auf Industrieprodukte und auf 82 Prozent der Zölle auf Agrarerzeugnisse.
Besorgnis über Gewalt prorussischer Bewaffneter
Mehrere Außenminister zeigten sich in Luxemburg besorgt über die Gewalt prorussischer Bewaffneter gegen Verwaltungsgebäude im Osten der Ukraine. Das Treffen von Donnerstag in Genf sei eine Gelegenheit für den russischen Außenminister Sergej Lawrow, zu deeskalieren, sagte der schwedische Außenminister Carl Bildt. Ebenso wie er forderte auch Polens Außenminister Radoslaw Sikorski Russland auf, den bewaffneten Gruppen in der Ostukraine die Unterstützung zu entziehen und Zehntausende von russischen Soldaten aus der Nähe zur ukrainischen Grenze abzuziehen.
"Das Ziel ist, gleichzeitig Entschlossenheit zu zeigen und neue Sanktionen zu beschließen", sagte Fabius. "Die Position Frankreichs, die Position Europas" sei: "Den Druck zu erhöhen, ohne den Dialog unmöglich zu machen."
Der britische Außenminister William Hague sprach von einer "eindeutigen Eskalation" der Lage durch die Vorgänge in der Ostukraine. "Es kann eigentlich überhaupt keinen Zweifel daran geben, dass dies von Russland geplant und ins Werk gesetzt wurde", sagte er. Zu russischen Behauptungen, nicht hinter den Aktionen der bewaffneten Gruppen in der Ostukraine zu stehen, sagte Hague: "Ich glaube, dass diese Erklärungen kein Fünkchen Glaubwürdigkeit haben."
"Wir müssen hart bei unserer Forderung nach Deeskalation durch Russland bleiben", sagte Bildt. "Und wenn sie das nicht tun, dann müssen wir natürlich etwas tun. Und das werden wir auch tun."
Sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn sagte, er verstehe, dass viele Außenminister sich durch die Ereignisse in der Ostukraine an die Annexion der Krim erinnert fühlten. Er sei aber überzeugt, dass Sanktionen nicht weiterhelfen. Timmermans wies auf Parallelen zwischen der Krim und der Ostukraine hin: "Wenn etwas wie ein Pferd aussieht und wie ein Pferd herumläuft, dann ist es normalerweise ein Pferd und kein Zebra." Es sei wichtig, die Verhängung der Wirtschaftssanktionen vorzubereiten.
Die Minister beschlossen, vier weitere Namen auf die Liste der Personen zu setzen, deren Konten in der EU wegen der Veruntreuung ukrainischer Staatsgelder gesperrt werden. Unter anderem befindet sich bereits der frühere ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch auf dieser Liste mit jetzt 22 Namen. Die Identitäten der vier neuen Betroffenen wurden zunächst nicht mitgeteilt.
dpa/mh - Bild: Georges Gobet (afp)