Wladimir Putin wird dieses Mal nicht erwartet. Zum 60. Geburtstag des damaligen deutschen Kanzlers Gerhard Schröder brachte der russische Präsident einen ganzen Kosakenchor mit. 400 hochkarätige Gäste gaben sich 2004 in Hannover ein Stelldichein, Scharfschützen sicherten das Theater am Aegi.
Zehn Jahre später ist Schröder Putin immer noch eng verbunden. Seine Äußerungen zu Putins Vorgehen auf der Krim haben bei gestandenen Bundestagsabgeordneten Kopfschütteln ausgelöst - während viele Bürger Russlands Annexion der ukrainischen Halbinsel ähnlich milde bewerten.
Interviewanfragen lehnte Schröder, der an diesem Montag 70 Jahre alt wird, nach dem Putin-Wirbel ab. Sein Umfeld betont, dass sowohl eine SPD-Feier im Restaurant von Sarah Wiener am Sonntag in Berlin als auch ein Empfang der Stadt Hannover für ihren Ehrenbürger am Tag darauf ohne internationale Gäste geplant waren. Im Mai soll noch ein Essen bei Bundespräsident Joachim Gauck folgen.
Nicht mit erhobenem Zeigefinger agieren
Er wolle im Fall Putin nicht mit dem erhobenen Zeigefinger agieren, hatte Schröder bei einer Matinee der "Zeit" gesagt. "Ich habe selbst gegen das Völkerrecht verstoßen." Er habe als Kanzler 1999 Tornados auf den Balkan schicken lassen, die sich am Nato-Bombardement beteiligt hätten, "ohne dass es einen Sicherheitsratsbeschluss gegeben hätte". Allerdings ging es damals um eine Militärintervention, um das Morden im Kosovo zu beenden.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte jedwede Analogie zwischen dem Vorgehen im Kosovo und auf der Krim im Bundestag "beschämend". Das Protokoll notierte hier Beifall - auch von der SPD. Das in Deutschland bis heute hoch geschätzte Nein zum Irak-Krieg hat Schröder mit den Worten verteidigt: Es dürfe nicht das Recht des Stärkeren gelten, "die Stärke des Rechts" müsse der Maßstab sein. Was unbestritten ist, sind Schröders Verdienste um das deutsch-russische Verhältnis.
In einem im Februar erschienen Interview-Buch geht es natürlich auch wieder um den "lupenreinen Demokraten", jene Beschreibung Putins, die Schröder anhaftet wie wenig anderes. "Ich nehme ihm ab, dass eine funktionierende Demokratie und ein stabiles Staatswesen seine Ziele sind", sagt der Altkanzler in dem Buch. Und räumt ein, dass die Übernahme des Aufsichtsratsvorsitzes beim Gasprojekt NordStream nach Ende der Kanzlerschaft vielleicht etwas zu rasch gekommen ist - der russische Staatskonzern Gazprom ist hier der Mehrheitseigner.
Schröder ist für viele noch nicht der Elder Statesman wie Helmut Schmidt, er scheint sein großes Thema nach Ende der Amtszeit noch nicht gefunden zu haben. Aber im Wahlkampf zeigte er vergangenes Jahr nochmals, was ihn auszeichnet: Volksnähe, Überzeugungskraft, Chuzpe. In Anlehnung an Martin Luther rief er die Genossen zum Kämpfen auf: "Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz." Rückblickend sieht er es als schweren Fehler an, dass die SPD mit Steuererhöhungen angetreten ist, einen Umverteilungswahlkampf habe man nie gewonnen. "Erfolgreiche Wahlkämpfe sehen anders aus", meint er. Und verweist auf Wahlkämpfe von Willy Brandt, Helmut Schmidt - und ihm selbst.
Klassische sozialdemokratische Aufsteigergeschichte
Schröder, der in der Bonner Kneipe "Provinz" schon frühzeitig mit dem späteren Außenminister Joschka Fischer (Grüne) Regierungspläne ausheckte, verkörpert noch eine klassische sozialdemokratische Aufsteigergeschichte. Seinen Vater, der als Soldat in Rumänien fiel, lernte er nie kennen, er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. Einer, der bei ihm in Niedersachsen sozusagen gelernt hat, ist der heutige SPD-Chef Sigmar Gabriel, der wie Schröder dort Ministerpräsident war.
Schröder kümmert sich heute in Hannover mehr als früher um die zwei russischen Adoptivkinder. Ehefrau Doris Schröder-Köpf, die noch eine ältere Tochter aus einer anderen Beziehung hat, macht jetzt selbst Politik. Sie ist Abgeordnete des niedersächsischen Landtags und Integrationsbeauftragte des Landes. "Ohne Zweifel, ein Tag zu Hause ist anstrengender", sagte Schröder der "Bild"-Zeitung auf die Frage, ob der Job als Hausmann oder im Büro fordernder sei. Schröder ist zudem Schirmherr des Anti-Rassismus-Vereins "Gesicht Zeigen" und einer Initiative, die an der Muskelkrankheit ALS Erkrankten hilft.
Bis heute hadert Schröder damit, dass sich die SPD nicht offensiver zu den positiven Folgen seiner Reformagenda 2010 bekannt hat. Viele hätten die für eine Zumutung gehalten. Die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe (Hartz IV) führte zu Verwerfungen und Austritten. Heute wird sie in Frankreich als Vorbild gefeiert. Und Merkel verdankt die guten Arbeitsmarktdaten auch der Agenda.
Zuletzt zeigte sich Schröder konziliant, was Nachbesserungen betraf. Das seien "nicht die zehn Gebote", auch 8,50 Euro Mindestlohn seien okay, sofern das Grundprinzip "fordern und fördern" nicht aufgegeben werde. Aber er betont auch: "Hätten wir die Erfolge der Agenda 2010 für uns reklamiert, dann wäre die SPD die erfolgreichste sozialdemokratische Partei in Europa." Aber der Widerspruch zwischen der reinen Lehre und der Realität als Regierungspartei habe die SPD schon immer geprägt.
Georg Ismar, dpa/rkr - Bild: Sergei Ilnitsky (epa)