Nach dem umstrittenen Anschluss der Halbinsel Krim wächst im Westen die Sorge vor neuen Gebietsansprüchen Russlands. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte eindringlich vor einer Ausweitung der Krise: "Ich mache mir große Sorgen, dass der völkerrechtswidrige Versuch, 25 Jahre nach Ende des Kalten Kriegs international anerkannte Grenzen in unserer europäischen Nachbarschaft zu korrigieren, die Büchse der Pandora öffnet."
Einen Tag nach einem Besuch Steinmeiers in der ostukrainischen Stadt Donezk forderten dort am Sonntag wieder mehrere tausend Menschen ein Referendum über den Anschluss an Russland. Polizisten riegelten die Gebietsverwaltung ab und verbarrikadierten Zugänge mit Lastwagen. Viele Demonstranten unterzeichneten Probestimmzettel für eine Abstimmung über einen Anschluss an Russland.
Die Nervosität in der Ukraine ist weiter groß. Das Verteidigungsministerium in Moskau wies am Sonntag ukrainische Berichte über eine angebliche Konzentration von Streitkräften an der Grenze zurück. Besonders die USA seien aufgerufen, die militärischen Aktivitäten russischer Truppen "objektiv" zu beurteilen und nicht die gespannte Lage weiter aufzuheizen, sagte Vizeverteidigungsminister Anatoli Antonow der Agentur Interfax zufolge. Russland halte sich an alle internationalen Vereinbarungen.
Die Krise dominiert auch den internationalen Gipfel zur nuklearen Sicherheit, der an diesem Montag in Den Haag beginnt. US-Präsident Barack Obama hat am Rande ein Treffen der sieben führenden Industriestaaten einberufen. Russland ist zum ersten Mal seit seinem Beitritt zu der Runde 1998 nicht eingeladen. Die Staats- oder Regierungschefs der G7 wollen bestätigen, dass die Gruppe der G8 bis auf Weiteres nicht mehr existiert.
Krim-Krise kann Verhältnis zu Russland lange belasten
Die Krim-Krise könnte nach Darstellung von Großbritanniens Außenminister William Hague das Verhältnis Russlands zum Westen auf lange Zeit belasten und das Land isolieren. "Wir und unsere Verbündeten müssen darauf vorbereitet sein, eine neue Art der Beziehung zu Russland in Betracht zu ziehen, die sich sehr stark von der in den vergangenen 20 Jahren unterscheidet", schrieb Hague in einem Beitrag für den "Sunday Telegraph".
"Einige in Russland mögen glauben, dass das Vorgehen auf der Krim kurzfristige Schmerzen verursacht in Form von begrenzten Sanktionen, nach deren Vollzug die Dinge dann wieder von Null beginnen", fuhr Hague fort. "Aber in Wahrheit hat das russische Volk über die Zeit eine Menge zu verlieren - in der Ukraine, in Europa und international."
Als möglichen langfristigen Effekt könnte sich Europa mehr und mehr unabhängig von russischen Energielieferungen machen, sagte der Außenminister. Entsprechende Pläne würden bereits diskutiert. Hague schlug zudem vor, die Bemühungen um eine Verbesserung der demokratischen Strukturen in Ländern zu verbessern, die unter russischem Einfluss stehen.
Russland übernimmt militärische Kontrolle auf Krim
Auf der Krim hat Russland inzwischen die militärische Kontrolle auf der Halbinsel übernommen. Am Samstag hatten russische Truppen einen der letzten von ukrainischen Soldaten gehaltenen Stützpunkte gestürmt. Die Angreifer durchbrachen das Tor des Fliegerhorsts Belbek mit schwerem Gerät, ein Journalist wurde Berichten zufolge verletzt.
Die USA riefen Moskau zu Gesprächen mit Kiew über die Sicherheit ukrainischer Soldaten auf. "Berichte über anhaltende Übergriffe gegen ukrainisches Militärpersonal und Einrichtungen zeigen, wie gefährlich die von Russland geschaffene Situation ist", erklärte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Laura Lucas Magnuson, in Washington.
An diesem Montag soll auf der Krim neben der ukrainischen Währung Griwna offiziell der Rubel als Zahlungsmittel eingeführt werden. Putin ordnete zudem die Einführung neuer Verwaltungsstrukturen an. Bis zum 29. März müssen die Polizei und der Zivilschutz, aber auch der Inlandsgeheimdienst FSB und andere Staatsorgane nach russischem Recht errichtet werden.
Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat eine internationale Beobachtermission in der Ukraine gestartet. Nachdem Russland seinen Widerstand aufgegeben hatte, entsandte die OSZE ein erstes Vorausteam mit 40 Experten in das Land. Die Beobachter sollen kontrollieren, ob der Schutz von Minderheiten gewährleistet ist und es Anzeichen für Interventionen von außen gibt. Auf die Krim dürfen sie jedoch nicht, da Russland die Halbinsel nach der international nicht anerkannten Annexion als russisches Territorium betrachtet.
dpa/rkr/sh - Bild: Sergei Supinsky (afp)