
China steigert seinen Militäretat in diesem Jahr überdurchschnittlich stark um 12,2 Prozent. Trotz der konjunkturellen Abschwächung soll das Wachstum der zweitgrößten Volkswirtschaft in diesem Jahr wieder 7,5 Prozent erreichen, wie der neue Regierungschef Li Keqiang am Mittwoch in seinem ersten Rechenschaftsbericht zum Auftakt der Jahrestagung des Volkskongresses in Peking sagte. Angesichts des Smogs will der Premier der Umweltverschmutzung «den Krieg erklären».
Die knapp 3000 Delegierten begannen ihre neuntägige Sitzung in der Großen Halle des Volkes mit einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags im Bahnhof der Metropole Kunming in Südwestchina. Bei dem Gemetzel waren am Samstag 29 Reisende getötet und 140 verletzt worden. Die Behörden haben vier Angreifer erschossen und vier andere festgenommen, die als Separatisten aus der Unruheregion Xinjiang in Nordwestchina beschrieben wurden. Der Premier verurteilte den Terrorakt und sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus.
Vor dem Hintergrund der Spannungen mit seinen Nachbarn und den USA, die ihre pazifische Präsenz ausbauen, steigert China seine Verteidigungsausgaben in diesem Jahr unerwartet stark auf 808 Milliarden Yuan (umgerechnet 95 Milliarden Euro), wie aus dem vorgelegten Entwurf des Haushalts hervorgeht. Die Militärausgaben zählen zu den Etatposten mit der höchsten Steigerungsrate.
In einem möglichen Hinweis auf Japan, mit dem China um historische Ansprüche auf eine Inselgruppe im Ostchinesischen Meer streitet, betonte Li Keqiang, China wolle den Sieg im Zweiten Weltkrieg und die internationale Nachkriegsordnung sichern. Er versicherte zugleich, China wolle als «verantwortliche Macht» eine konstruktive Rolle in der Lösung globaler und regionaler Krisenherde spielen.
Chinas Streitkräfte sollen «unter Berücksichtigung der neuen Bedingungen» modernisiert und gestärkt werden, sagte der Premier in seinem rund 110-minütigen Rechenschaftsbericht. China plane für die militärische Einsatzfähigkeit «unter allen Szenarien und in allen Gebieten». Die Küsten-, Luft- und Grenzstreitkräfte müssten ausgebaut werden. China wolle auch seine Vorbereitungen auf den Kriegsfall verbessern, sagte der Premier.
Marktwirtschaftliche Umstrukturierungen stehen im Mittelpunkt seiner Wirtschaftspolitik. «Chinas Reform steht am Scheideweg», sagte der Premier. «Wir müssen uns von gedanklichen Fesseln lösen und entschieden gegen feste Interessengefüge vorgehen.» Entwicklung sei aber weiter der Schlüssel zur Lösung aller Probleme, deswegen müsse eine «angemessene Wachstumsrate» bewahrt werden.
Offen beklagte der Premier den anhaltenden Smog in weiten Teilen des Landes und andere Umweltverschmutzung als «großes Problem». Wie in China Energie produziert und verbraucht werde, müsse sich verbessern. Li Keqiang versprach dem Milliardenvolk «energische Maßnahmen», was die Delegierten mit Applaus quittierten.
Nach dem Auftakt des Volkskongresses in Peking hat sich nach Berichten von Augenzeugen eine Frau offenbar selbst angezündet. Der Zwischenfall ereignete sich in der Nähe des Tian'anmen-Platzes. Die Polizei wollte sich auf Anfrage zunächst nicht zu den Aussagen äußern. Das gesamte Gebiet um den Tian'anmen-Platz gehört zu dem am besten bewachten und politisch heikelsten Plätzen Chinas. Westlich von dem Platz liegt die Große Halle des Volkes, Sitz des chinesischen Parlamentes. Wenige hundert Meter entfernt residiert Chinas Staatsführung auf dem abgeschirmten «Zhongnanhai»-Gelände.
Auf dem Tian'anmen-Platz (Platz des Himmlischen Friedens) hatten 1989 über Wochen Hunderte Studenten campiert und politische Reformen gefordert. In der Nacht zum 4. Juni 1989 schlug die chinesische Armee die Bewegung blutig nieder.
dpa/jp - Bild: Wang Zhao (afp)