Im Konflikt um die Ukraine hat die internationale Gemeinschaft nach den militärischen Drohungen aus Moskau ihrerseits ein diplomatisches Warnsignal an den Kreml geschickt. Die G7 setzten in der Nacht alle Vorbereitungstreffen für den G8-Gipfel mit Russland im Juni in Sotschi aus.
US-Präsident Barack Obama erörterte am Sonntagabend unter anderem mit der deutschen Kanzlerin Merkel und dem britischen Premier David Cameron weitere Schritte. Merkel warf Putin am Sonntag in einem Telefonat vor, mit der "unakzeptablen russischen Intervention auf der Krim gegen das Völkerrecht verstoßen zu haben".
Die sieben führenden Industriestaaten G7 (USA, Kanada, Frankreich, Deutschland, Großbritannien, Italien und Japan), die zusammen mit Russland die G8 bilden, verurteilten das russische Vorgehen auf der Krim als "klare Verletzung der Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine" und Verstoß gegen internationale Verpflichtung.
Die G7-Staaten und die EU riefen Moskau außerdem auf, etwaige Sicherheits- oder Menschenrechtsbedenken direkt in Kiew anzusprechen oder eine Vermittlung oder auch Beobachtung der Vereinten Nationen oder Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zu akzeptieren. "Wir stehen bereit, bei diesen Bemühungen zu helfen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der G7. Der Gipfel in Sotschi gilt nach den Olympischen Winterspielen als weiteres Prestigevorhaben Putins.
Auch die Nato regte die Entsendung internationaler Beobachter unter der Ägide des UN-Sicherheitsrates oder der OSZE an. Wichtig sei ein politischer Prozess in der Ukraine, bei dem auch die Rechte von Minderheiten respektiert würden, hieß es am Abend in einer Erklärung der Botschafter der 28 Nato-Staaten. Die Nato-Regierungen verurteilten das Vorgehen Russlands scharf, verzichteten aber auf jedwede Drohungen.
Am Montag kommen in Brüssel die Außenminister der EU zu einer Sondersitzung zur Lage in der Ukraine zusammen. Wir werden zunächst Russland zur Zurückhaltung aufrufen, erklärte Didier Reynders in der RTBF. Zweiter, zentraler Punkt: Dialog. Alle Beteiligten müssten miteinander reden, mahnte er - die Ukrainer unter sich, aber auch Russland müsse mit einbezogen werden. Deswegen werde die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sofort im Anschluss nach Kiew und Moskau aufbrechen.
Russland setzt auf "ernüchternde Wirkung"
Russland versicherte, es wolle keinen Krieg mit der Ukraine, sagte Vizeaußenminister Grigori Karassin im Staatsfernsehen. Russland werde alles tun, um die bilateralen Beziehungen zu festigen - "zumal davon die Stabilität in Europa" abhänge. "Das sollten auch die westlichen Politiker verstehen, die uns mit den letzten Worten beschimpfen", sagte der Diplomat. Russland hatte zuletzt mit einem Militäreinsatz gegen die Ukraine gedroht, um so die Lage auf der Halbinsel Krim zu stabilisieren. Einen offiziellen Marschbefehl gab es aber noch nicht.
Russland setze darauf, dass die Erlaubnis des Föderationsrats für Kremlchef Putin, notfalls das Militär zum Schutz russischer Bürger in der Ukraine einzusetzen, bereits eine "ernüchternde Wirkung" habe. Die neue Regierung in Kiew müsse sich mit den Belangen der Bürger beschäftigen, mahnte Karassin.
Das russische Militär hat inzwischen nach US-Erkenntnissen "totale operative Kontrolle" auf der Halbinsel Krim. Zu den präsenten Streitkräften auf dem Boden zählten 6000 Fallschirmjäger und Marinesoldaten, sagte ein hoher US-Regierungsbeamter am Sonntag vor Journalisten. "Weitere Verstärkungen werden eingeflogen".
US-Außenminister John Kerry will zur Unterstützung der Ukraine im Konflikt mit Moskau nach Kiew reisen. Wie seine Sprecherin Jen Psaki mitteilte, will er sich am Dienstag in der ukrainischen Hauptstadt mit hochrangigen Vertretern der neuen Regierung, führenden Parlamentariern und Mitgliedern gesellschaftlicher Gruppen treffen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon schickte am Sonntag seinen Stellvertreter Jan Eliasson in die Ukraine. Dort solle sich Eliasson ein Bild der Situation machen, um dann Ban zu beraten, welche Schritte die UN zur Deeskalation unternehmen könnten.
dpa/rkr - Bild: Viktor Drachev/AFP