Die wegen brutaler Übergriffe auf ukrainische Regierungsgegner umstrittene Sonderpolizei "Berkut" wird aufgelöst. Dies hat am Mittwoch das Innenministerium in Kiew beschlossen. Interimspräsident Alexander Turtschinow ernannte sich selbst per Dekret zum neuen Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Vier Tage nach dem Umsturz sollte die neue Übergangsregierung am Abend vorgestellt und am Donnerstag vom Parlament gewählt werden.
Aussichtsreiche Kandidaten für den Posten des Regierungschefs sind nach Angaben der Partei Udar von Ex-Boxprofi Vitali Klitschko der frühere Parlamentschef Arseni Jazenjuk sowie der reiche Unternehmer und Ex-Außenminister Pjotr Poroschenko.
Die Ukraine steuert auf einen Staatsbankrott zu. Bis Jahresende fehlen im Haushalt nach Angaben der neuen Machthaber mindestens 25 Milliarden Euro. Der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Union wollen Finanzhilfen aber erst gewähren, wenn die neue Regierung steht und ein Sanierungsprogramm beschließt.
IWF-Chefin Christine Lagarde sagte in der Universität Stanford in Kalifornien, der IWF habe einen Vertreter vor Ort, der die Finanzlage sehr genau bewerten werde.
Die Wahl eines regulären neuen Präsidenten ist für den 25. Mai angesetzt. Oppositionspolitiker Klitschko hat seine Kandidatur bereits angekündigt. Ob die aus der Haft entlassene Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko an der Wahl um das Präsidentenamt teilnimmt, war zunächst wieder offen. Timoschenko will sich im März wegen eines Bandscheibenvorfalls in Deutschland behandeln lassen.
Aufenthaltsort von Janukowitsch unklar
Wo sich der abgesetzte Staatschef Viktor Janukowitsch aufhält, war weiter unklar. Nach ihm wird gefahndet, die Opposition wirft ihm Anstiftung zum Mord vor. Seit Dienstag vergangener Woche waren mindestens 82 Menschen bei dem Machtkampf in Kiew getötet und Hunderte verletzt worden.
Janukowitschs Vorgänger Leonid Krawtschuk, Leonid Kutschma und Viktor Juschtschenko zeigten sich in einer Erklärung besorgt über die gespannte Lage auf der Halbinsel Krim. Sie forderten Russland auf, sich nicht in das Leben der Autonomen Republik einzumischen. Die Mehrheit der Bewohner dort sind Russen.
In Sewastopol, dem Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte, richteten moskautreue Kräfte Grenzposten an den Zugängen zur Stadt ein. Dort übernahm nach einer Straßenabstimmung der Russe Alexander Tschalyi das Bürgermeisteramt. Führende russische Politiker reisten auf die Krim, um die Lage zu sondieren. Die Führung in Moskau befürchtet, dass ukrainische Nationalisten den Autonomie-Status der Halbinsel beenden könnten. Das will Russland nach Angaben aus Moskau nicht zulassen.
US-Außenminister John Kerry betonte, der Umsturz in der Ukraine verschlechtere das Verhältnis zwischen den USA und Russland nicht. Die Entmachtung des pro-russischen Janukowitsch und die internationalen Reaktionen sollten nicht als ein "Westen gegen den Osten" verstanden werden, sagte Kerry bei einem Treffen mit dem britischen Außenminister William Hague in Washington. Die USA wollten mit Russland und anderen Ländern daran arbeiten, dass es in der Ukraine künftig friedlich bleibe.
EU plädiert für rasche Verfassungsreform in der Ukraine
Eine Reform der ukrainischen Verfassung bis September ist nach Ansicht von EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle ein wesentliches Element für eine Lösung der politischen Krise. "Wir sind bereit, mit einer zukünftigen Regierung in Kiew rasch zusammenzuarbeiten, die sich zu wirtschaftlichen und politischen Reformen verpflichtet hat", sagte Füle am Mittwoch in Straßburg vor dem Europaparlament. Er stellte der Ukraine wirtschaftliche und finanzielle Unterstützung in Aussicht. Voraussetzung dafür seien die Bildung einer Regierung für alle Ukrainer sowie freie und faire Wahlen in dem Land.
Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des EU-Parlaments, Elmar Brok, sagte: "Finanzielle Soforthilfe ist wirklich dringlich." EU-Kommissar Füle sicherte Russland eine enge Zusammenarbeit beim Wiederaufbau der Ukraine zu. Allerdings müsste der Kreml "das souveräne Recht der Ukrainer anerkennen, über ihre Zukunft selbst zu entscheiden". Am Donnerstag stimmt das Parlament über eine Entschließung zur Ukraine ab.
dpa/mh/sh - Bild: Bulent Kilic/AFP