Das ukrainische Parlament will nach dem Sturz von Staatschef Viktor Janukowitsch und der Absetzung der Regierung heute einen neuen Ministerpräsidenten wählen.
Offizielle Kandidaten gibt es nicht. In Frage für den Posten kommt unter anderem der frühere Parlamentspräsident Arseni Jazenjuk, der die Fraktion der Vaterlandspartei von Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko führt. Als möglicher Kandidat wird zudem der Unternehmer und frühere Außen- und Wirtschaftsminister Pjotr Poroschenko gehandelt.
Die geplante Wahl gilt als weiterer wichtiger Schritt aus der schweren Krise. Da das Land vor dem Staatsbankrott steht, reißt sich niemand um den Posten des Regierungschefs.
Die bisherige Opposition hatte am Wochenende nach monatelangen Protesten die Macht in Kiew übernommen und rasch alle wichtigen Posten besetzt. Russland bestritt am Montag die Legitimität der neuen Regierung und warnte vor «diktatorischen» und «terroristischen» Methoden. «Falls sich Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern, als Regierung bezeichnen, so wird die Arbeit mit einem solchen Kabinett sehr schwierig sein», sagte der russische Regierungschef Dmitri Medwedew.
Das russische Außenministerium warf dem Westen vor, sich in Wahrheit nicht um das Schicksal des Landes zu sorgen, sondern lediglich geo-strategische Interessen zu verfolgen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte die Ukraine auf, für neuen Zusammenhalt im Land zu sorgen. Die jetzigen Verantwortlichen müssten bei der Zusammensetzung der neuen Regierung auch auf den pro-russischen Osten und den Süden des Landes Rücksicht nehmen.
Die neue Führung lässt nach Janukowitsch wegen «Massenmordes» fahnden. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn sowie andere ranghohe Amtsträger sei eingeleitet worden, teilte der kommissarische Innenminister Arsen Awakow auf Facebook mit. Bei Protesten gegen Janukowitsch waren allein seit Dienstag mindestens 82 Menschen getötet worden. Dabei schossen Scharfschützen gezielt auf Demonstranten.
Droht die Staatspleite?
Die wirtschaftlich schwer angeschlagene Ukraine benötigt derweil nach eigenen Angaben 35 Milliarden US-Dollar (25,5 Milliarden Euro) Finanzhilfen. Die frühere Sowjetrepublik habe eine internationale Geberkonferenz unter Beteiligung der EU, der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen, sagte der kommissarische Finanzminister Juri Kolobow. «Wir haben unseren internationalen Partnern vorgeschlagen, uns innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen Kredite zu gewähren», sagte Kolobow.
IWF-Chefin Christine Lagarde hatte angekündigt, ihre Organisation stehe für Unterstützung bereit - im Gegenzug für Wirtschaftsreformen. Russland hingegen hat angekündigte Milliardenkredite angesichts der revolutionären Umbrüche im Nachbarland zunächst auf Eis gelegt. Deutschland und Spanien appellierten an Russland, zusammen mit der EU nach einer Lösung zu suchen.
dpa/sh - Bild: Sergei Supinski (afp)