Der neue italienische Regierungschef Matteo Renzi hat um die Unterstützung des Parlaments für seinen Reformkurs geworben. Der 39-Jährige forderte in seiner Regierungserklärung vor dem Senat am Montag Mut zu radikalen Entscheidungen und kündigte einen sofortigen Wandel an. Zwei Tage nach der Vereidigung seines neuen Kabinetts sollten die Senatoren am Abend ihr Vertrauensvotum abgeben. "Unsere Dinge in Ordnung zu bringen, das tut man nicht für Angela Merkel oder die EU, sondern aus Respekt vor unseren Kindern und denen, die nach uns kommen", sagte Renzi. Beobachter rechneten mit einer Mehrheit für Renzi.
Der sozialdemokratische Regierungschef betonte vor dem Senat, bis zum Ende der Legislaturperiode 2018 regieren zu wollen und sich der Dringlichkeit der Reformen für Italien bewusst zu sein. "Wir können nicht davon ausgehen, dass jemand anderes unsere Probleme löst", sagte er. Mehr als eine Stunde warb Renzi um Unterstützung. "Diese Regierung bittet euch um das Vertrauen für einen sofortigen Wandel. Wir geben unser Bestes, weil Italien in Zukunft weder das Rücklicht Europas sein noch von morgens bis abends weinen soll."
Das Land sei "erstarrt, versumpft in einer erstickenden Bürokratie", sagte Renzi. Deshalb seien eine Vereinfachung der Strukturen und Abläufe sowie ein politisches Zusammenrücken jetzt vorrangig. Eile und Wandel seien geboten, und zwar ohne Jammerchor, zumal Italien in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft übernehme. "Europa ist nicht die Mutter aller Probleme", rief Renzi denen zu, die die harten EU-Sparauflagen als mitverantwortlich für die italienischen Wachstumsschwierigkeiten ansehen.
Nach der anschließenden Debatte im Parlament wurde das Ergebnis der Abstimmung am späten Abend erwartet. Die Koalition aus Renzis Mitte-Links-Partei (PD), kleineren Parteien des Zentrums sowie der konservativen Partei NCD von Innenminister Angelino Alfano hat dort eine ausreichende Mehrheit, der Regierungschef kann mit den Stimmen von 168 bis 176 der 320 Senatoren rechnen. Am Dienstag steht dann das Votum in der zweiten Parlamentskammer, dem Abgeordnetenhaus, an.
In seiner Regierungserklärung bedankte sich Renzi auch bei seinem Vorgänger Enrico Letta, den er vor zehn Tagen aus dem Amt gedrängt hatte. Der neue Ministerpräsident will das hoch verschuldete und in anhaltender Rezession steckende EU-Krisenland grundlegend reformieren. "Wenn wir diese Herausforderung verlieren, ist es allein meine Schuld, es gibt keine Alibis mehr", sagte er vor dem Senat.
Die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone kämpft weiter mit zahlreichen Problemen wie etwa der hohen Jugendarbeitslosigkeit. Renzi will nach einer Reform des Wahlrechts und der Institutionen im März die Reform des Arbeitsmarktes, im April die Umstrukturierung der Verwaltung und im Mai Steuersenkungen durchsetzen.
dpa - Bild: Andreas Solaro (afp)