Nach dem Machtwechsel in der Ukraine hat die neue Führung den gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch wegen "Massenmordes" zur Fahndung ausgeschrieben. Ein Ermittlungsverfahren sei eingeleitet worden, teilte der kommissarische Innenminister Arsen Awakow am Montag auf Facebook mit. Auch nach anderen ranghohen Amtsträgern werde wegen desselben Vorwurfs gefahndet. Awakow zufolge hielt sich Janukowitsch zuletzt auf der prorussisch geprägten Halbinsel Krim auf.
Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte die neuen Machthaber in Kiew vor Rachegelüsten. Die künftigen politischen Führer müssten vielmehr die Eskalation der Gewalt stoppen, sagte der Politiker der spanischen Zeitung "El País". Bei Protesten gegen Janukowitsch waren allein seit Dienstag mindestens 82 Menschen getötet worden. Dabei schossen Scharfschützen gezielt auf Demonstranten.
Die wirtschaftlich schwer angeschlagene Ukraine benötigt derweil nach eigenen Angaben 35 Milliarden US-Dollar (25,5 Milliarden Euro) Finanzhilfen. Die frühere Sowjetrepublik habe eine internationale Geberkonferenz unter Beteiligung der EU, der USA und des Internationalen Währungsfonds (IWF) vorgeschlagen, sagte der kommissarische Finanzminister Juri Kolobow. "Wir haben unseren internationalen Partnern vorgeschlagen, uns innerhalb der nächsten ein bis zwei Wochen Kredite zu gewähren", sagte Kolobow.
"Die Staatskasse ist geplündert, das Land ist so gut wie bankrott", sagte Arseni Jazenjuk von der Partei der Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko. Übergangspräsident Alexander Turtschinow hatte die wirtschaftliche Lage in einer Ansprache an das Volk am Vorabend als "katastrophal" eingestuft.
In Kiew wurde die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton zu Krisengesprächen mit der neuen Führung erwartet. Dabei sollte es auch um Finanzhilfen gehen. Zuvor hatte bereits IWF-Chefin Christine Lagarde angekündigt, ihre Organisation stehe für Unterstützung bereit - im Gegenzug für Wirtschaftsreformen. Russland hingegen hat angekündigte Milliardenkredite angesichts der revolutionären Umbrüche im Nachbarland zunächst auf Eis gelegt.
Janukowitsch war zuletzt in der ostukrainischen Stadt Donezk gesehen worden, von wo aus er am Samstagabend in Begleitung bewaffneter Leibwächter in einem Flugzeug das Land verlassen wollte. Grenzschützer verhinderten nach eigenen Angaben die Flucht. Die bisherige Opposition hatte am Wochenende nach monatelangen Protesten die Macht in Kiew übernommen und rasch alle wichtigen Posten besetzt. Die bisherige Regierungspartei von Janukowitsch kündigte an, in die Opposition zu gehen.
Der Ukraine droht ein Staatsbankrott
Der Ukraine droht ein Staatsbankrott. Die neue Führung in Kiew ruft nach ausländischen Finanzhilfen von 35 Milliarden US-Dollar, also rund 25,5 Milliarden Euro. Als Geber kämen der Internationale Währungsfonds (IWF), die EU und auch Russland infrage.
Bereits Ende 2013 wurde die Lage so bedrohlich, dass die Regierung praktisch handlungsunfähig war. Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit stiegen auf rund acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) - auch wegen der Weltfinanzkrise, die die Ukraine besonders hart traf. Die Gesamtverschuldung kletterte Ende 2013 laut Schätzungen auf 41 Prozent des BIP. 2007 hatte der Wert noch bei 12,3 Prozent gelegen.
Nur mit Finanzhilfen aus dem Ausland konnte die Regierung den Staatsbankrott verhindern. Das berichtet die Deutsche Beratergruppe Ukraine, die das Land im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums unterstützen soll. Russland sagte im Dezember 2013 Hilfe im Wert von 18 Milliarden US-Dollar zu, das entspricht rund zehn Prozent des BIP: 15 Milliarden gab Moskau in Form kurzfristiger Kredite, drei Milliarden als Rabatt auf den Preis für russisches Gas.
Kritiker bemängelten, dass diese kurzfristigen Hilfen langfristig die Probleme eher verschärften. Zudem begebe sich das Land in noch größere Abhängigkeit von Moskau.
Als die Regierung in Kiew auf Druck der Opposition zurücktrat, stoppte Russland Ende Januar seine Hilfen. Die US-Ratingagentur Standard & Poor's senkte danach die Kreditwürdigkeit der Ukraine auf "CCC+" und am 20. Februar weiter auf "CCC". Die jetzige Bewertung ist nur wenige Schritte von der Note "D" entfernt. Sie wird vergeben, falls Länder ihren aus der Kreditaufnahme resultierenden Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können.
dpa/jp/mh/sh - Bild: Alexander Nemenov (afp)
Ukraine braucht Milliardenhilfe zur Abwehr der Pleite.
Ich hätte da einen Vorschlag : alle belgischen Abgeordnenten geben ihre Lohn-Zuschläge für die Ukraine ab. Das wäre vorbildlich. Wenn das alle EU-Länder und alle EU-Funktionäre täten, wäre die Summe schnell zusammen.