Im Auswärtigen Amt in Berlin standen am Montag die EU und der Föderalismus im Mittelpunkt. Kein Wunder, dass neben Premierminister Elio Di Rupo und Außenminister Didier Reynders auch die Ministerpräsidenten der drei Gemeinschaften, Kris Peeters für Flandern, Rudy Demotte für die Wallonie und Karl-Heinz Lambertz für die Deutschsprachige Gemeinschaft, nach Berlin gereist waren. Sie wollt'n das Bild "Ein neues Belgien" vermitteln. Belgien ist ein kleines Land mit komplizierten Strukturen, aber ein Land, das funktioniert und zusammenhält - sagte der wallonische Ministerpräsident Demotte.
Auf das neue Belgien-Bild war König Philippe bereits in seiner Rede beim Thronwechsel im Sommer eingegangen. Er wolle auch der König der Gemeinschaften und Regionen sein, hatte er damals gesagt. Nachvollziehbar also, dass die Ministerpräsidenten in Berlin dabei waren. Wobei, so ein Foto mit dem König unter dem Brandenburger Tor macht sich so kurz vor der Wahl natürlich ganz gut.
Deutschland und Belgien sind nicht nur Nachbarn, sondern auch wichtige Handelspartner. Deutschland ist der größte Abnehmer für belgische Produkte und Dienstleistungen. Belgien landet beim deutschen Export immerhin auf Platz acht der wichtigsten Kunden - und damit noch vor der Schweiz, Russland oder Indien. Politisch gibt es kaum Differenzen zwischen Brüssel und Berlin. Der Königsbesuch war eine besondere Wertschätzung, erklärte der ostbelgische Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz.
Die Königsvisite am Montag war auch Anlass für politische Gespräche, zum Beispiel zwischen Außenminister Didier Reynders und seinem deutschen Kollegen Frank-Walter Steinmeier. In Deutschland gebe es eine neue Koalition, da sei es wichtig, aus erster Hand zu erfahren, wie der europapolitische Kurs der Bundesregierung jetzt aussehe, sagt Reynders.
Erfreut zeigte sich in diesem Zusammenhang Premierminister Elio Di Rupo. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe klar gemacht, dass es in der Eurozone mehr Zusammenhalt, mehr gemeinsame Entscheidungen geben muss. Das sei auch seine ganz persönliche Ansicht, sagt Di Rupo. Die Eurozone mit ihren 18 Mitgliedsstaaten braucht eine gemeinsame Wirtschaftsregierung, um vernünftig funktionieren zu können.
Welches Europa?
Welches Europa wünschen sich Belgier und Deutsche? Diese Frage stand auch im Mittelpunkt der vierten Deutsch-Belgischen Konferenz im Auswärtigen Amt in Berlin. Den ganzen Tag über hatten Politiker, Wirtschaftsexperten und Wissenschaftler darüber beraten. Ihr Fazit: Mehr Europa in großen Fragen, weniger in den kleinen Dingen des Alltags - sagte der hessische EU-Abgeordnete Michael Gahler.
"Fast überall in Europa sind die Rechtspopulisten auf dem Vormarsch, nimmt der Unmut gegenüber Brüssel zu. Daran ist aber nicht nur die EU Schuld", erklärte der ostbelgische Europaabgeordnete Mathieu Grosch, "viele Nationalregierungen tragen eine zum Teil erhebliche Mitschuld". Sie hätten zu viel versprochen und anschließend die Schuld für ihr Versagen auf die Europäische Union geschoben.
Auch für den deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier besteht Handlungsbedarf. Europa sei eine große Baustelle. Allerdings hätten wir die Mittel, die Menschen und die Ideen, um diese Arbeit hinzukriegen. Frieden, Freiheit und sozialer Zusammenhalt - 100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges und der zerstörerischen Rolle Deutschlands lohne es sich für diese Ideale zu kämpfen. Belgien und Deutschland würden jedenfalls dabei helfen, dass der europäische Traum weiter gelebt wird, sagte Steinmeier.
Bild: Benoit Doppagne (belga)