Italiens Regierungschef Enrico Letta gerät immer mehr durch einen parteiinternen Herausforderer unter Druck. Der Chef der sozialdemokratischen Partei PD (Partito Democratico), Matteo Renzi, fordert eine raschere Umsetzung überfälliger Reformen und baut sich so als möglicher Nachfolger Lettas auf. Dieser ist erst zehn Monate im Amt und lehnt es ab, den Regierungspalast Chigi in Rom für den Konkurrenten zu räumen. So stellte er am Mittwochabend unbeirrt ein Regierungsprogramm vor, mit dem Italien wieder in Gang kommen soll.
Am Mittwoch kamen beide Politiker zu einem einstündigen Gespräch am Regierungssitz zusammen. Danach hieß es aus dem Umfeld Lettas nur, beide hätten auf ihrer Position beharrt. Eine Weichenstellung wird deshalb von einem PD-Treffen an diesem Donnerstag erwartet. In Rom wurden derweil bereits Namen für Ministerposten in einem möglichen Kabinett Renzi gehandelt. In seiner Partei hat der erfolgsverwöhnte Renzi (39), der Bürgermeister von Florenz ist, eine starke Hausmacht.
Er wolle Klarheit, Renzi solle offen sagen, was er wolle, sagte Letta bei der Vorstellung seines Regierungsprogramms "Impegno Italia" (Verpflichtung Italien). Niemand trete aufgrund von "Palastmanövern" oder Gerede zurück. Er forderte alle zur Verantwortung auf, um das Land aus der Wirtschaftskrise zu führen. Er lege sein Programm den Parteien, dem Parlament und den Bürgern vor, sei dabei gelassen und denke nicht an seine politische Zukunft. Letta erwähnte als Ziele einen Abbau der Bürokratie, den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit sowie Steuererleichterungen für Unternehmen und Arbeitsreformen.
Amt von Letta übernehmen?
Spekuliert wird, ob Renzi in einer "Staffetta" (Staffelübergabe) das Amt von dem Parteifreund übernehmen will. Eine solche Übergabe ohne Neuwahlen hatte etwa 1998 Massimo d'Alema als Nachfolger von Romano Prodi zum Regierungschef gemacht. Renzi könnte jedoch auch abwarten, bis vermutlich im Frühjahr eine dringende Wahlrechtsreform das Parlament passiert hat, um danach auf Neuwahlen zu dringen. Ohne diese Reform könnte ein nationaler Urnengang so wie vor einem Jahr zu einem lähmenden Patt im Parlament in Rom führen. Renzi wäre bereits der vierte italienische Regierungschef Italiens in nur vier Jahren.
Mit einer Regierungsumbildung könnte Letta jetzt auch versuchen, sein Kabinett zu stärken und eventuell seine Koalition zu erweitern. Italien ist in der längsten Rezession seit dem Kriegsende, sehr hoch verschuldet und wieder stärker durch politische Instabilität geprägt.
Nach einem Meinungsaustausch mit Letta hatte Staatspräsident Giorgio Napolitano deutlich gemacht, dass er keine Neuwahlen will, sondern eine stabile politische Lage. Die Partei von Letta und Renzi müsse dafür nun die Weichen stellen. Auch aus der Partei heraus wurde Letta bereits aufgefordert, Platz zu machen für Renzi, der nach einer überragenden Wahl zum Parteichef die Regierung ständig kritisiert.
dpa - Bild: Tiziana Fabi (afp)