Die ukrainische Opposition und die Regierung haben sich im Machtkampf nach offiziellen Angaben auf die Abschaffung umstrittener repressiver Gesetze sowie eine Amnestie für Demonstranten geeinigt. Nach mehr als vierstündigen Verhandlungen teilte Justizministerin Jelena Lukasch am Montagabend in Kiew mit, dass das Parlament auch die Verantwortung der Regierung für die Gewalt gegen Demonstranten erörtern solle. Die Oberste Rada kommt an diesem Dienstag zu einer Sondersitzung zusammen.
Klitschko will nicht Minister werden
Bedingung für die Amnestie sei, dass die Opposition alle in der Stadt besetzten Gebäude und belagerten Straßen räume. Nach Darstellung von Lukasch lehnte der Oppositionspolitiker und frühere Außenminister Arseni Jazenjuk das Angebot des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch ab, die Regierung zu führen. An den Gesprächen in Kiew hatte auch der Regierungsgegner und Ex-Boxweltmeister Vitali Klitschko teilgenommen. Auch Klitschko will nicht Minister werden, wie die Nachrichtenagentur Itar-Tass in der Nacht zum Dienstag berichtete.
Die Opposition fordert, dass die unlängst von Janukowitsch unterzeichneten Gesetze unter anderem zur Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit umgehend aufgehoben werden. Sie verlangt zudem vorgezogene Wahlen des Parlaments und des Präsidenten.
Bei den jüngsten Krawallen in der Ukraine waren mindestens vier Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden verletzt. Radikale Regierungsgegner hatten Verhandlungen mit Janukowitsch komplett abgelehnt. Die prowestliche Opposition um Klitschko setzt hingegen auf Gespräche mit der prorussischen Führung. Weiteres Blutvergießen und eine Eskalation der Lage müssten verhindert werden, erklärte Klitschko am Montag.
Timoschenko warnt vor zu großen Zugeständnissen
Die inhaftierte Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko warnte die Opposition mit Nachdruck vor allzu großen Zugeständnissen. Die Protestführer um Klitschko dürften keinesfalls Regierungsämter unter Präsident Janukowitsch annehmen. «Das Volk der Ukraine ist nicht für Posten für die Oppositionsführer auf die Straßen gegangen», erklärte die 53-Jährige. «Ausweg aus der Krise kann nur die Erfüllung aller Forderungen des Volkes sein.»
Zuvor hatte Justizministerin Lukasch mit der Verhängung des Ausnahmezustands in der Ex-Sowjetrepublik gedroht. Sie reagierte damit auf die Besetzung des Justizministeriums durch radikale Regierungsgegner am Sonntagabend. Am Montag zogen sich die Aktivisten zurück.
Auch nach der Räumung des Justizministeriums hält die ukrainische Opposition weiter zahlreiche Gebäude in Kiew und in der Provinz besetzt. So sollen 11 von 27 Gebietsverwaltungen in ihrer Hand sein. In den Industriezentren Dnjepropetrowsk und Saporoschje versuchten Oppositionsanhänger, öffentliche Gebäude unter ihre Kontrolle zu bringen. Dabei wehrten im südukrainischen Saporoschje Sondereinheiten der Polizei mit Blendgranaten und Tränengas einen Sturm von Hunderten Demonstranten auf die Verwaltung ab. Die Regierungsgegner bewarfen die Sicherheitskräfte mit Steinen. Medien berichteten von Verletzten.
Die Proteste hatten vor zwei Monaten begonnen, nachdem Janukowitsch auf Druck aus Moskau eine Annäherung der Ukraine an die EU auf Eis gelegt hatte.
dpa/jp - Bild: Andrei Mosienko (afp)