Mit Verhandlungen über einen Gefangenenaustausch im großen Stil haben die syrischen Bürgerkriegsparteien ihre Friedensgespräche in Genf fortgesetzt. Aus Delegationskreisen hieß es, beide Seiten hätten am Sonntag Listen mit Tausenden Namen von Gefangenen, Geiseln und Vermissten vorgelegt. Die Opposition forderte unter anderem die Freilassung von zwei Bischöfen, die im vergangenen April in der Provinz Aleppo verschleppt worden waren.
Aus Kreisen der Familie eines der beiden Geistlichen hieß es, "die Bischöfe werden möglicherweise von einer anderen Gruppe festgehalten, aber die Entführung läuft unter der Aufsicht von Offizieren in Aleppo".
Sollten sich beide Seiten auf einen landesweiten Gefangenenaustausch einigen, wäre es der erste dieser Art seit Beginn des Bürgerkrieges im Jahr 2011. Bisher hatte die Regierung nur politische Gefangene freigelassen, damit die Rebellen ausländische Geiseln gehen lassen, etwa aus Russland, dem Iran und dem Libanon. Diesmal sollen von den Rebellen verschleppte syrische Soldaten und Zivilisten freikommen, die dem Assad-Regime nahestehen.
Die Genfer Verhandlungen hatten am vergangenen Freitag begonnen. Ziel ist es, den Bürgerkrieg in Syrien zu beenden, in dem seit 2011 schon mehr als 130.000 Menschen ums Leben gekommen sind, darunter zahlreiche Folteropfer. Das Land soll eine neue Regierung erhalten. Anschließend soll es laut der sogenannten Genf-1-Vereinbarung eine neue Verfassung und freie Wahlen geben.
Bildung von Übergangsregierung wichtigstes Etappenziel
Aus Sicht der Opposition sind der Gefangenenaustausch und die am Samstag besprochenen Hilfslieferungen für die von Regimetruppen eingekesselten Menschen in der Altstadt von Homs nur Fragen, die nicht vom wichtigsten Etappenziel der Verhandlungen ablenken dürfen: der Bildung einer Übergangsregierung. Der syrische Informationsminister, Omran al-Soabi, betonte dagegen: "Wir müssen die humanitären Fragen erst umfassend behandeln." Einige Beobachter sehen darin einen Versuch des Regimes, Zeit zu gewinnen.
Ein Mitglied der Regierungsdelegation sagte am Sonntag, alleine um die am Samstag vereinbarten Hilfslieferungen in Homs zu organisieren, seien mehrere Tage nötig. Mundher Akbik, ein Mitglied der Delegation der Opposition bestritt dies. Er sagte: "Die einzigen, die verhindern können, dass die Konvois in Homs ankommen, sind die Truppen des Regimes. Denn nur sie haben an den Zufahrtswegen Straßensperren und Militär."
Die Opposition sei sofort bereit und in der Lage, eine lokale Waffenruhe in Homs durchzusetzen, so dass keine Gefahr für die Helfer bestehen würde, sagte Akbik. UN-Vermittler Lakhdar Brahimi hatte am Samstagabend erklärt, die geplanten Hilfslieferungen könnten möglicherweise schon an diesem Montag beginnen.
Nach dem Gefangenenaustausch soll in Genf erstmals über eine Übergangsregierung gesprochen werden. Nach Einschätzung von Diplomaten könnte es jedoch länger dauern, bis sich die Delegationen darüber geeinigt haben, welche Gefangenen freikommen sollen.
dpa/sd - Bild: Fabrice Coffrini (afp)