Die türkischen Widersprüche sind sogar in Brüssel sichtbar. Bei seiner Ankunft war der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan von rund 3.000 Anhängern begeistert empfangen worden. Er wandte sich sogar in einer kleinen Rede an die Menge. Später, vor dem EU-Parlament, warteten dann aber Demonstranten auf ihn. Rund 100 Menschen protestierten gegen die ihrer Ansicht nach repressive Politik der türkischen Regierung.
Genau das war auch Thema bei den Gesprächen mit dem EU-Ratsvorsitzenden Herman Van Rompuy und Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Nicht nur, dass die türkische Regierung mitunter äußerst brutal gegen Demonstranten vorgeht. Seit eine Reihe von Mitgliedern von Erdogans AKP-Partei mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert ist, hat sich auch der Druck auf Polizei und Justiz spürbar erhöht.
Es sei ein offenes Gespräch gewesen, sagten die EU-Vertreter nach dem Treffen mit Recep Tayyip Erdogan. Man habe den türkischen Ministerpräsidenten an das Prinzip der Gewaltenteilung erinnert. Herman Van Rompuy und José Manuel Barroso zeigten sich unter anderem "besorgt" über die Einflussnahme der Regierung auf die Justiz. Recep Tayyip Erdogan hielt aber dagegen: Die Justiz als eigenständige Macht, das führe zu einer Herrschaft der Justiz und nicht zur Demokratie, sagte Erdogan. Die EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara könnten damit schon sehr schnell wieder auf dem Prüfstand landen.
Erdogan sprach in Brüssel auch mit dem EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz.
Bild: John Thys (afp)