Die völlige Öffnung des EU-Arbeitsmarktes für Bulgaren und Rumänen führt zu neuen Spannungen in Europa. In Deutschland warnt die CSU vor einer Armutszuwanderung. Sie will Ausländern den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren - etwa durch eine dreimonatige Sperrfrist für Hartz-IV-Hilfen an Zuwanderer. SPD und Opposition warfen der CSU Populismus vor, aber auch aus der Schwesterpartei CDU kamen mahnende Worte.
Bulgaren und Rumänen genießen mit dem 1. Januar das uneingeschränkte Recht, in allen EU-Staaten einen Job zu suchen. Die EU-Kommission verteidigte am Neujahrstag den Fall der letzten Job-Schranken. "Ich bin fest davon überzeugt, dass ein Beschränken der Freizügigkeit von europäischen Beschäftigten nicht die Antwort auf hohe Arbeitslosigkeit oder eine Lösung der (Wirtschafts-)Krise ist", so EU-Sozialkommissar Laszlo Andor in Brüssel.
Arbeitserlaubnis nicht mehr nötig
Eine Arbeitserlaubnis für Bulgaren und Rumänen ist nicht mehr nötig. Erwartet werden allein in Deutschland nach jüngsten Prognosen bis zu 180.000 Zuwanderer. Rumänien und Bulgarien sind die ärmsten Länder innerhalb der EU. Bei ihrem Beitritt zur Union 2007 hatten sie akzeptiert, dass die EU-weite Freizügigkeit für eigene Staatsbürger erst mit sieben Jahren Verspätung gilt.
Kommissar Andor rechnet nicht mit einer dramatischen Zuwanderungswelle, da schon über drei Millionen Bulgaren und Rumänen in anderen EU-Staaten leben. Es könnte aber auf lokaler oder regionaler Ebene Probleme geben, falls Menschen vermehrt zuwanderten. "Die Lösung ist, diese spezifischen Probleme anzugehen, und nicht Wälle gegen diese Beschäftigten aufzurichten", sagte Andor.
Mitgliedstaaten könnten in solchen Fällen den europäischen Sozialfonds in Anspruch nehmen, der jährlich mit über zehn Milliarden Euro ausgestattet sei. Laut Andor machen über 14 Millionen EU-Bürger von ihrem Recht Gebrauch, in einem anderen Mitgliedsland der Union zu leben und zu arbeiten.
Bulgariens Botschafter in Berlin, Radi Naidenov, kritisierte in der Zeitung "Die Welt": "Wer Vorurteile bedient und populistisch argumentiert, schadet der europäischen Idee insgesamt und damit uns allen."
Freizügigkeit für Bürger aus ärmeren Ländern einschränken
Der britische Premier David Cameron will schon seit längerem die Freizügigkeit für Bürger aus ärmeren Ländern einschränken. Der konservative Politiker beharrt deshalb auf einer Änderung der EU-Verträge. Großbritannien hatte angekündigt, zum Jahreswechsel den Bezug von Sozialleistungen für arme EU-Einwanderer zu erschweren.
Die neuen Arbeitsmarkt-Regelungen in der EU vom 1. Januar 2014 an sind ein weiterer Schritt zur vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb der Europäischen Union. Für Bürger aus dem neuen Mitgliedsland Kroatien gelten allerdings in Deutschland und einigen anderen EU-Staaten weiterhin Beschränkungen - möglicherweise bis zum Jahr 2020. Das Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit ist Teil der vier Grundfreiheiten für Personen, für Waren und Dienstleistungen sowie für den Kapital- und Zahlungsverkehr.
Um Verwerfungen am Arbeitsmarkt durch zuwandernde Niedriglöhner zu verhindern, hatten Deutschland und Österreich dieses Recht für Bürger der osteuropäischen Beitrittsländer zunächst eingeschränkt. Am 1. Mai 2011 endeten diese Übergangsregelungen für die mittelosteuropäischen EU-Staaten Polen, Tschechien, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Lettland, Litauen, und Estland. Für Rumänien und Bulgarien galten sie weiter.
dpa/rkr