Die Ministerrücktritte im Korruptionsskandal in der Türkei haben Regierungschef Recep Tayyip Erdogan zur Umbildung seines Kabinetts gezwungen. Zehn der 26 Kabinettsposten wurden neu besetzt, wie die Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwochabend meldete.
Seinen Posten verlor auch der bisherige EU-Minister Egemen Bagis. Er war der einzige von vier unter Korruptionsverdacht stehenden Ministern, der nicht selber zurückgetreten war.
Der Wirtschafts-, der Innen- und der Umweltminister hatten am Mittwoch ihre Rücktritte erklärt. Umweltminister Erdogan Bayraktar hatte Ministerpräsident Erdogan dazu aufgefordert, sein Amt ebenfalls niederzulegen. Die Söhne des bisherigen Wirtschafts- und des bisherigen Innenministers sitzen in Untersuchungshaft. Der Sohn des bisherigen Umweltministers wurde nach seiner Festnahme am 17. Dezember unter Auflagen freigelassen.
"Dreckige Operation"
Der Korruptionsskandal erschüttert die Türkei seit mehr als einer Woche. Bei den Ermittlungen geht es unter anderem darum, ob gegen Zahlung von Schmiergeld Sanktionen gegen den Iran unterlaufen und illegale Baugenehmigungen erteilt wurden. Erdogan hat die Ermittlungen als «dreckige Operation» gegen seine Regierung mit Hintermännern im In- und Ausland bezeichnet.
Umwelt- und Stadtentwicklungsminister Erdogan Bayraktar hatte am Mittwoch im Sender ntv seinen Rücktritt erklärt. Bayraktar sagte, er sei zum Rücktritt gedrängt worden, und forderte Ministerpräsident Erdogan dazu auf, sein Amt ebenfalls niederzulegen.
Erdogan zeigte keinerlei Bereitschaft dazu. Er sprach auch nach den Rücktritten von einer «Verschwörung» gegen seine Regierung, seine Partei AKP und die Türkei. Die AKP habe eine Weste «weiß wie Milch». Die Zeitung «Hürriyet» zitierte Erdogan mit der Aussage, wer gegen ihn vorgehen wolle, werde dabei scheitern. Die Opposition fordert seit Tagen den Rücktritt der gesamten Regierung. Am Donnerstag kam das neue Kabinett erstmals zusammen.
Ranghohe Polizisten entlassen
Nach Großrazzien und den Festnahmen Dutzender Verdächtiger am Dienstag vergangener Woche hatte die Regierung zahlreiche ranghohe Polizisten des Amtes entheben lassen, darunter den Polizeichef von Istanbul. Die Erdogan-kritische Zeitung «Today's Zaman» berichtete am Mittwoch, in Istanbul seien 400 weitere mit den Ermittlungen befasste Polizisten versetzt worden. Damit seien seit den Großrazzien landesweit mehr als 500 Polizisten ihrer Posten enthoben worden.
Die Regierung hatte außerdem verfügt, dass Vorgesetzte künftig über Ermittlungen informiert werden müssen. Die Regierung hatte von den Korruptionsermittlungen bis zuletzt nichts gewusst. Journalisten wurde inzwischen der Zutritt zu Polizeidienststellen untersagt. Regierungskritische Medien werteten die Versetzungen als Versuch der Regierung, die Ermittlungen zu behindern.
dpa/rkr - Bild: Bulent Kilic (afp)