Der Weg für eine neue große Koalition in Deutschland ist frei. Nach Angaben von Barbara Hendricks, der Vorsitzenden der SPD-Zählkommission, vom Samstag stimmten 75,96 Prozent der Parteimitglieder dem Bündnis mit CDU und CSU zu. Damit kann die CDU-Vorsitzende Angela Merkel am Dienstag wie geplant zum dritten Mal im Bundestag zur Kanzlerin gewählt werden. Dann werden auch die Minister ernannt und vereidigt.
Insgesamt votierten 256.643 Frauen und Männer mit Ja, 80.921 sagten Nein. Insgesamt 31.800 Wahlzettel konnten wegen Formfehlern nicht berücksichtigt werden. Mit 369.680 Frauen und Männern haben sich fast 78 Prozent der 474.820 stimmberechtigten Sozialdemokraten an der bisher einmaligen Mitgliederbefragung beteiligt, sagte SPD-Schatzmeisterin Hendricks.
Die SPD soll in der großen Koalition sechs Ministerien bekommen. Gabriel soll Wirtschaft und Energie übernehmen, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier das Außenministerium, Schatzmeisterin Barbara Hendricks Umwelt, Generalsekretärin Andrea Nahles Arbeit/Soziales, SPD-Vize Manuela Schwesig Familie und der saarländische Wirtschaftsminister Heiko Mass das Justizministerium.
Am Samstagmorgen hatte in Berlin die Auszählung der Stimmen begonnen. Nach SPD-Angaben lief bei der Auszählungsprozedur alles nach Plan. Rund 400 Helfer waren im Einsatz. Am Samstag kurz nach Mitternacht war ein gelber Post-Lastwagen mit den Umschlägen am Auszählungsort, einem früheren Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg, eingetroffen. Der Lkw kam aus Leipzig, wo die Briefe zentral in einem DHL-Zentrum gesammelt worden waren.
Am Samstag ab 01:00 Uhr wurden die mit dem Öffnen der Briefe befassten Helfer eingewiesen, sagte Hendricks. Um 09:30 Uhr folgten dann die eigentlichen Zähler. "Und alle, die kommen, die bleiben auch hier; also die gehen nicht wieder raus, die geben ihre Handys ab, die twittern nicht zwischendurch, die fotografieren nicht zwischendurch."
Postenverteilung auch bei CDU bekannt
Am Freitagnachmittag waren die Ressortchefs in spe informiert worden. Noch vor der Auszählung des Votums sickerten die Personalien durch. Dabei hatte die SPD stets darauf gedrungen, mit Blick auf die Mitglieder die Bekanntgabe der Postenverteilung auf die Zeit nach dem offiziellen Ergebnis zu verschieben. Inhalte seien entscheidend, nicht Posten, hatte die Führung stets betont. In SPD-Kreisen wurde das Durchsickern der Ressortbesetzungen als unglücklich bezeichnet.
Bei der CDU sollen Finanzminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsminister Thomas de Maizière ihre Ämter behalten. Die bisherige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) soll ins Gesundheitsministerium wechseln. Kanzleramtschef Ronald Pofalla gibt den Posten aus persönlichen Gründen auf. Die CSU will wie bisher drei Ministerien haben und erhält möglicherweise wieder Verkehr, Landwirtschaft und das Innenressort. Die CDU mit Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze soll fünf Ministerien bekommen und auch den Kanzleramtschef stellen.
Unabhängig vom Ausgang hatte eine klare Mehrheit der Bundesbürger den SPD-Mitgliederentscheid begrüßt. Nach einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" halten 56 Prozent das Votum für eine gute Idee, 31 Prozent sind anderer Meinung. Besonders groß ist die Begeisterung für die Befragung bei den SPD-Anhängern. Von ihnen finden 79 Prozent den Entscheid gut, nur 14 Prozent halten ihn für falsch. Bei den Unions-Wählern sehen 60 Prozent das Instrument der Mitgliederbefragung bei der SPD positiv, 36 Prozent negativ.
Die SPD hatte bei der Bundestagswahl am 22. September 25,7 Prozent erreicht, die Union 41,5 Prozent - ihr fehlen aber fünf Sitze zur absoluten Mehrheit. Viele SPD-Mitglieder hatten sich skeptisch gezeigt zu einem erneuten Bündnis mit der Union, viele fürchten nach den Erfahrungen 2005 bis 2009 einen Profilverlust. Daher hatte Gabriel das bisher einmalige Mitgliedervotum über den mit CDU und CSU ausgehandelten Koalitionsvertrag vorgeschlagen.
Georg Ismar, dpa/rkr/sh - Bild: John MacDougall (afp)