Die Entscheidung der SPD-Basis über den Eintritt in eine große Koalition ist gefallen - aber Parteispitze und Öffentlichkeit müssen sich noch in Geduld üben. Seit Mitternacht ist das Mitgliedervotum beendet. Die Stimmkarten müssen nun erst nach Berlin gebracht und ausgezählt werden, das Resultat will Parteichef Sigmar Gabriel am späten Samstagnachmittag verkünden.
Die SPD-Spitze ist optimistisch, dass die meisten Mitglieder mit Ja gestimmt haben. Ist dies der Fall, kann nächste Woche die schwarz-rote Regierung unter Führung der bisherigen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gebildet werden. Sollte die SPD-Basis Nein sagen, stünden Union und SPD turbulente Zeiten bevor. Merkel hätte dann als Option nur einen Neuanlauf für Schwarz-Grün oder aber Neuwahlen.
Offiziell konnten die SPD-Mitglieder bis Donnerstag um 24:00 Uhr ihre Briefwahlunterlagen einreichen. An dem Votum haben sich mehr als 300.000 der 475.000 stimmberechtigten Sozialdemokraten beteiligt. An diesem Freitag sollen die Briefe zunächst von Leipzig nach Berlin gebracht und dort am Samstag in einer Halle im Stadtteil Kreuzberg ausgezählt werden.
Lammert äußert Respekt
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) bezeichnete die hohe Beteiligung am SPD-Mitgliedervotum als bemerkenswerten Beleg für den Wunsch vieler Parteimitglieder nach Teilhabe. In der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitag) warnte Lammert aber vor übertriebenen Schlussfolgerungen. Fundamentalkritik an diesem Verfahren sei ebenso voreilig wie die Empfehlung, eine solche Befragung zum Muster aller künftigen Koalitionsvereinbarungen zu machen.
Bei der SPD sei die Grundsatzfrage zu klären gewesen, ob überhaupt und unter welchen Bedingungen sie sich an einer großer Koalition beteiligen solle. Für einen solchen innerparteilichen Entscheidungsprozess biete das Parteiengesetz einen beachtlichen Ermessensspielraum. "Dass die Parteien davon Gebrauch machen, ist sicher nicht zu beanstanden", betonte Lammert.
Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" zeichnet sich eine größere Zahl ungültiger Stimmen ab. Bei etwa jedem zehnten Briefumschlag fehle die eidesstattliche Erklärung oder sei unkorrekt ausgefüllt, meldete das Blatt unter Berufung auf Parteikreise.
Stimmt die SPD-Basis dem Koalitionsvertrag mehrheitlich zu, soll spätestens am Sonntag die Verteilung der Ministerien und die personelle Besetzung bekanntgegeben werden. Von 14 Bundesministerien könnten fünf an die CDU, drei an die CSU und sechs an die SPD gehen. Merkel soll am Dienstag im Bundestag wieder zur Kanzlerin gewählt werden, dann sind auch die Ernennung und die Vereidigung der neuen Bundesminister geplant.
Zum Zuschnitt und zur Besetzung einer schwarz-roten Regierung wurden vorerst keine Entscheidungen bekannt. Es hielten sich Spekulationen, dass CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe ins Kabinett wechseln könnte. Spekuliert wurde laut "Frankfurter Allgemeiner Zeitung" auch, dem Gesundheitsressort die Zuständigkeit für die Rente zuzuschlagen - sie liegt bisher beim Arbeitsressort, für das SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles als Ministerin gehandelt wird.
dpa/sh - Bild: Michael Kappeler (afp)