Kremlchef Wladimir Putin hat dem Westen vorgeworfen, mit seiner Abkehr von traditionellen Werten Stabilität und Frieden in der Gesellschaft zu gefährden. In vielen Ländern werde von den Menschen heute verlangt, "Gut und Böse" als gleichberechtigt anzuerkennen, kritisierte der 61-Jährige bei seiner Rede an die Nation im Großen Kremlpalast am Donnerstag. Die Zerstörung etwa von Familienwerten führe zu "negativen Folgen" in der Gesellschaft. Putin hatte in diesem Jahr unter anderem per Gesetz verbieten lassen, in Gegenwart von Minderjährigen positiv über Homosexualität zu sprechen.
"Wir wissen, dass es in der Welt immer mehr Menschen gibt, die unsere Position beim Schutz traditioneller Werte unterstützen", sagte Putin vor rund 1100 Vertretern aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion. Patriarch Kirill von der russisch-orthodoxen Kirche verfolgte die rund 70 Minuten lange Rede in der ersten Reihe. Vertreter anderer Glaubensrichtungen saßen weiter hinten.
Grundlagen menschlichen Zusammenlebens in der Welt
Russland habe heute eine "historische Verantwortung", die jahrtausendealten Grundlagen menschlichen Zusammenlebens in der Welt zu verteidigen. "Natürlich ist das eine konservative Position", betonte Putin. Doch könne so Chaos verhindert werden. "In vielen Ländern werden heute die Normen von Moral und Sittlichkeit umgekrempelt, nationale Traditionen und die Unterschiede zwischen den Nationen und Kulturen verwaschen", beklagte der Präsident.
Kommentatoren kritisierten Putins inzwischen zehnte Programmrede an die Nation als Ansprache voller unverbindlicher Worte. Es fehlten konkrete Impulse und Ziele für seine bis 2018 dauernde dritte Amtszeit. Zudem bemängelten sie, dass sich viele Themen wiederholten, ohne dass sich das Riesenreich insgesamt weiterentwickle.
Putin betonte, dass sich das Land nach Jahren der wirtschaftlichen Stabilisierung nun wieder auf seine Werte besinnen müsse: auf gegenseitige Verantwortung und Mitgefühl. "Wir waren immer stolz auf unser Land - wir streben aber nicht an, eine Supermacht zu sein, die etwa Anspruch auf Weltherrschaft erhebt", sagte der Kremlchef.
Der krisengeschüttelten Ukraine bot Putin "Partnerschaft" an. Er lud das Land erneut ein, sich der von Russland angeführten Zollunion anzuschließen. "Wir zwingen niemandem etwas auf. Aber wenn unsere Freunde den Wunsch zur gemeinsamen Arbeit haben, sind wir bereit."
Zudem forderte Putin die Nato zur Aufgabe ihrer Pläne für einen Raketenschild in Europa auf. Nach der Einigung im Atomstreit mit dem Iran entfalle das wichtigste Argument für das Abwehrsystem. Moskau lehnt den Schutzschild als Bedrohung für seine Sicherheit ab.
dpa/sd