Nach den Massenprotesten gegen die Regierung in der Ukraine haben etwa 5000 Menschen in der Nacht zum Montag im Zentrum der Hauptstadt Kiew ausgeharrt. Die Anhänger eines EU-Kurses der Ex-Sowjetrepublik errichteten auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz (Maidan) zahlreiche Zelte und auch Barrikaden - wie bei der prowestlichen Orangenen Revolution 2004 mit der derzeit inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko als Gallionsfigur - , wie Beobachter in der Millionenmetropole berichteten.
Bei leichtem Regen und plus vier Grad Celsius wärmten sich viele Gegner von Präsident Viktor Janukowitsch an kleineren Feuern. Ein Sprecher der Opposition um Boxweltmeister Vitali Klitschko kündigte eine Blockade von Gebäuden der staatlichen Verwaltung ab dem frühen Morgen an. Der Chef der rechtspopulistischen Partei Swoboda (Freiheit), Oleg Tjagnibok, kündigte einen landesweiten Generalstreik an.
Protest am Sonntag
Am Sonntag hatten in der ukrainischen Hauptstadt schätzungsweise bis zu 500.000 Menschen Janukowitschs Rücktritt sowie einen Westkurs ihres Landes gefordert. Allerdings kam es am Rande der Kundgebung zu schweren Zusammenstößen von Randalierern mit der Polizei. Der für die Nachbarschaftspolitik zuständige EU-Kommissar Stefan Füle forderte einen sofortigen Dialog für eine friedliche Lösung.
Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte von Regierung und regierungskritischen Demonstranten, auf Gewalt zu verzichten. "Gewalt und Macht sind in einer demokratischen Gesellschaft keine Wege zur Beendigung politischen Streits", heißt es in einer am Sonntagabend in Brüssel veröffentlichten Erklärung. Rasmussen betonte, es sei "das Recht des Volkes, überall seine Ansicht in demokratischer Weise auszudrücken".
Tränengas und Blendgranaten eingesetzt
Sicherheitskräfte setzten am Sonntag massiv Tränengas und Blendgranaten ein. Dabei seien insgesamt mindestens 165 Menschen verletzt worden, darunter auch Journalisten, teilten die Behörden der Ex-Sowjetrepublik mit. Fast 50 Sicherheitskräfte und zahlreiche Protestierer mussten in Kliniken behandelt werden. Mindestens 22 Menschen wurden festgenommen.
Parlamentspräsident Wladimir Rybak bot den Fraktionen einen Runden Tisch an. Mitglieder sowohl der Regierung als auch der Opposition sollten den brutalen Polizeieinsatz vom frühen Samstagmorgen aufklären, bei dem eine Sondereinheit friedliche EU-Befürworter auf dem Maidan niedergeknüppelt hatte. Das Vorgehen hatte nach Ansicht von Beobachtern die Proteste noch angeheizt.
Entzündet hatten sich die Demonstrationen daran, dass Präsident Janukowitsch auf dem EU-Gipfel zur Östlichen Partnerschaft die Unterschrift unter ein weitreichendes Abkommen mit der EU verweigert hatte. Zuvor hatte Russland dem Nachbarland mit massiven Handelssanktionen gedroht. Regierungschef Nikolai Asarow verteidigte die Entscheidung. Die Ukraine hätte große wirtschaftliche Verluste zu befürchten gehabt, sagte Asarow in Fernsehinterviews.
Auch in zahlreichen anderen Städten gab es Proteste, meist im proeuropäisch geprägten Westen. Im russischsprachigen Süden und Osten der Ukraine hingegen beriefen mehrere Gebietsparlamente für Montag außerordentliche Sitzungen ein. Dabei wollten sie Janukowitsch ihre Unterstützung aussprechen. Die ehemalige Sowjetrepublik ist in der Frage einer EU-Annäherung tief gespalten.
dpa/jp - Bild: Yuriy Dyachyshyn (afp)