Die früheren Sowjetrepubliken Georgien und Moldau rücken näher an Europa. Spitzenvertreter der EU und der beiden Länder paraphierten am Freitag beim Gipfel zur östlichen Partnerschaft Abkommen für Assoziierung und freien Handel. Aserbaidschan unterzeichnete einen Vertrag zur Visa-Erleichterung. "Das ist ein wichtiger Meilenstein", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso in Vilnius.
Nach der Kehrtwende der Ukraine bei der EU-Annäherung konnte beim Gipfel das ehrgeizige und fertig verhandelte Assoziierungsabkommen mit der Ukraine nicht unterschrieben werden. Die Gipfelgastgeberin und litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite sagte, das Angebot eines Pakts mit Ukraine liege weiter auf dem Tisch.
Barroso kündigte an, die Abkommen mit Georgien und Moldau sollten im kommenden Jahr unterschrieben werden. Dann könnten sie vorläufig in Kraft treten. "Unsere Volkswirtschaften werden enger verbunden sein", so Barroso. Fast alle Zollschranken sollten fallen. EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy sagte, die EU respektiere die Länder und habe keinen Druck auf sie ausgeübt. Kanzlerin Angela Merkel sprach mit dem ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch am Rande des Gipfels.
Europa fährt harten Kurs gegenüber Ukraine
Europa fährt beim Ostpartnerschaftsgipfel in Litauen einen harten Kurs gegenüber der krisengeschüttelten Ukraine. Der Fall der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko müsse gelöst werden, forderte der amtierende luxemburgische Premier Jean-Claude Juncker am Donnerstag in Vilnius. Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch sei zudem in der Pflicht bei inneren Reformen. Trotz aller Kritik hielt die Europäische Union (EU) jedoch bei dem zweitägigen Spitzentreffen die Tür zu dem Land mit rund 45 Millionen Menschen offen - auch um der Opposition zu helfen.
Auf massiven Druck Moskaus hatte die Ukraine ein ehrgeiziges Abkommen für Assoziierung und freien Handel auf Eis gelegt. Beim Gipfel wurde eine Unterzeichnung im Februar oder März 2014 ins Spiel gebracht. Kiew müsse das jedoch wünschen und dafür Bedingungen erfüllen, hieß es aus den Delegationen. "Die EU-Chefs stimmen überein: Die Annäherung an die EU ist eine Sache der Wahl, nicht eines Tauschhandels", erklärte die Gipfelgastgeberin und litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite am Abend per Kurznachrichtendienst Twitter.
Merkel skeptisch
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich mit Blick auf den Pakt skeptisch. "Ich habe keine Hoffnung, dass das jetzt diesmal gelingt." Wie andere Staatenlenker auch sagte sie: "Die Tür ist offen." Die EU-"Chefs" waren zum Auftakt mit ihren Kollegen aus sechs früheren Sowjetrepubliken zu einem Essen zusammengekommen. Zuvor hatten sich EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy mit Janukowitsch in kleiner Runde getroffen.
"Die Menschen in der Ukraine wollen mit überwältigender Mehrheit das sein, was sie sind - Europäerinnen und Europäer", sagte EU-Parlamentschef Martin Schulz.
Der ukrainische Vize-Regierungschef Sergej Arbusow betonte, sein Land habe sich nicht von der EU abgekehrt. "Die Ukraine braucht Europa." Arbusow beklagte aber, dass Brüssel beim Aushandeln des EU-Abkommens keine Entschädigung für die Verluste angeboten habe, die der Ukraine durch den Wegfall von Vorteilen auf dem russischen Markt entstünden. Die EU ist dem Vernehmen nach weder bereit, mehr Geld für die Ukraine zu geben noch dreiseitige Verhandlungen unter Einbeziehung Russlands aufzunehmen.
Nach Vilnius reisten auch zahlreiche ukrainische Oppositionspolitiker wie der Boxweltmeister Vitali Klitschko, die Druck für einen EU-Kurs ihres Landes machen wollten. Klitschko erhob schwere Vorwürfe gegen den ukrainischen Präsidenten. "Janukowitsch fürchtet sich vor europäischen Standards, denn sie würden ihn dabei stören, das Land weiter auszuplündern", hieß es in einer Mitteilung des 42-Jährigen.
Zum 2009 gestarteten Programm der Ostpartnerschaft gehören insgesamt sechs Ex-Sowjetrepubliken. Neben der Ukraine, Moldau und Georgien sind das Weißrussland sowie Aserbaidschan und Armenien. Auch Armenien hatte sich nach Moskauer Druck für die von Putin propagierte eurasische Wirtschaftsunion entschieden.
In Kiew demonstrierten am Abend etwa 10.000 Menschen für eine Annäherung an die Europäische Union.
dpa/jp - Bild: Alain Jocard (afp)