Ungeachtet der ablehnenden Haltung der Ukraine bleibt die EU bereit für eine engere Anbindung der früheren Sowjetrepublik. Das betonte der für Nachbarschaftspolitik verantwortliche EU-Kommissar Stefan Füle am Donnerstag in der litauischen Hauptstadt Vilnius unmittelbar vor Beginn des EU-Gipfels für die östliche Partnerschaft. "Wir halten an unserer Absicht fest, die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und der Ukraine auf eine neue Stufe zu heben", sagte er.
Die EU sei bereit, die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens erneut vorzubereiten, falls Kiew wieder den Pfad zur EU-Annäherung einschlage, sagte Füle. Die Ukraine hatte den Pakt mit der EU auf Eis gelegt, nachdem Russland seinem Nachbarn mit Handelsnachteilen gedroht hatte.
Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch wollte noch vor Beginn des hochkarätig besetzten Treffens am Abend mit den EU-Spitzen zusammentreffen. Geplant war eine Begegnung mit EU-Gipfelchef Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wurde in dem baltischen Land erwartet. Es ist ihre erste Auslandsreise nach Unterzeichnung des Koalitionsvertrags mit der SPD.
Schulz: "EU hat Lage in Ukraine unterschätzt"
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz nahm die Ukraine teilweise in Schutz. Er kritisierte mangelnde Hilfsbereitschaft der EU. "Ich glaube, wir haben auch die Dramatik der innenpolitischen Situation in der Ukraine unterschätzt", sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk. Die Ukraine sei "wirtschaftlich und vor allen Dingen finanziell in der tiefsten Krise" seit ihrer Unabhängigkeit.
Der ukrainische Vize-Regierungschef Sergej Arbusow betonte, sein Land habe sich nicht von der EU abgekehrt. "Die Ukraine braucht Europa." Arbusow beklagte aber, dass Brüssel beim Aushandeln des EU-Abkommens keine Entschädigung für die Verluste angeboten habe, die der Ukraine durch den Wegfall von Vorteilen auf dem russischen Markt entstünden. Nach Vilnius reisten auch zahlreiche ukrainische Oppositionspolitiker wie der Boxweltmeister Vitali Klitschko, die Druck für einen EU-Kurs ihres Landes machen wollten.
Vitali Klitschko fordert europäische Standards
Klitschko erhob schwere Vorwürfe gegen den ukrainischen Präsidenten. "Janukowitsch fürchtet sich vor europäischen Standards, denn sie würden ihn dabei stören, das Land weiter auszuplündern", hieß es in einer Mitteilung des 42-Jährigen.
Der schwedische Außenminister Carl Bildt sagte dem ukrainischen oppositionsnahen Internetsender hromadske.tv: "Ich weiß nicht, wohin die Ukraine driftet - ob nach Osten oder abwärts." Im Zentrum Kiews demonstrierten bei leichtem Schneefall erneut Hunderte auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan) für einen Westkurs ihres Landes. Anders als die Ukraine paraphierten die Ex-Sowjetrepubliken Moldau und Georgien mit der EU in Vilnius jeweils Assoziierungsabkommen. Die EU hatte zuletzt Moldau angesichts der demokratischen Fortschritte auch baldige Visafreiheit in Aussicht gestellt.
Die litauische Präsidentin Dalia Grybauskaite als Gastgeberin des Gipfels rief die EU-Partner auf, die Reformwünsche ihrer jeweiligen Bevölkerung zu berücksichtigen. An die Teilnehmer eines zivilgesellschaftlichen Forums in Vilnius appellierte sie, Druck auf jene Regierungen auszuüben, die sich "unverantwortlich" verhielten.
Zum Programm der Ostpartnerschaft gehören insgesamt sechs Ex-Sowjetrepubliken. Neben der Ukraine, Moldau und Georgien sind das Weißrussland sowie Aserbaidschan und Armenien.
dpa/sd Bild: Vasily Maximov (afp)