EU-Insider nennen es "Straßburg-Woche": Während das EU-Parlament die meiste Zeit des Jahres in Brüssel tagt und arbeitet, finden die Plenarsitzungen nach wie vor in Straßburg statt - wie auch im Moment.
Und deshalb befindet sich derzeit buchstäblich das "komplette" Parlament im Elsass: Abgeordnete, Teile der Administration, Computer-Fachkräfte und Übersetzer müssen - samt tonnenweise Material - 400 Kilometer weiter nach Süden gekarrt werden.
Für diesen Aufwand hat niemand mehr Verständnis, auch nicht die Mehrheit der Parlamentarier selbst. Mit 483 Ja- gegen 141 Nein-Stimmen hat das EU-Parlament am Mittwoch eine Resolution gegen den "allmonatlichen Wanderzirkus" verabschiedet.
"Ich sitze seit 4 Jahren im EU-Parlament", sagt Ashley Fox, einer der Initiatoren der Resolution, der für die britischen Konservativen im EU-Parlament sitzt. "Und es ist kein Tag vergangen, an dem ich nicht von Bürgern gefragt wurde: Warum gibt es zwei Europäische Parlamente?".
Auf den ersten und wohl auch auf den zweiten Blick sei diese Frage doch vollkommen nachvollziehbar, fügt Fox hinzu. "Warum legen wir jährlich 150 Millionen Euro auf den Tisch, um uns zwei Parlamente zu leisten? Und das noch dazu in diesen Krisenzeiten. Kann das einer von Ihnen schlüssig erklären?", wendet sich Fox an seine Kollegen. Der Co-Autor der Resolution, der deutsche Grüne Gerald Häfner, schlägt in dieselbe Kerbe.
Nicht nachvollziehbar - und doch gibt es einen Grund für dieses Hin- und Her. Straßburg wurde seinerzeit nicht zufällig zum Sitz des EU-Parlaments. Erstens: Indem man eben die Institutionen in verschiedenen Ländern angesiedelt hat, wollte man den internationalen Charakter Europas unterstreichen. Zweitens, noch viel wichtiger: Straßburg ist das Symbol der deutsch-französischen Aussöhnung.
"Das haben wir nicht vergessen", sagt Ashley Fox, "aber die Zeiten haben sich verändert. Was einmal stellvertretend für Versöhnung war, ist jetzt ein Symbol der Verschwendung - von Zeit, von Energie, von Steuergeld." Argumente, die allerdings an den französischen Kollegen regelrecht abperlten. "Hier werden doch Europäische Grundprinzipien verraten", sagte etwa die Abgeordnete Constance Le Grip, die für die größte Fraktion, die der Europäischen Volkspartei, im Parlament sitzt. "Wir vergessen unsere Geschichte und riskieren dabei, dass wir das europäische Projekt aushöhlen."
Weil sie um die Sensibilität des Themas wussten, haben Fox und Häfner einen sehr diplomatischen Weg gewählt: In der Resolution werden die Reizworte Brüssel oder Straßburg tunlichst vermieden. Hier geht es nur ums Prinzip. "Zentral stehen zwei Forderungen", sagt Ashley Fox. "Erstens: Das EU-Parlament sollte einen und nur einen Sitz haben. Und zweitens: Es soll selbst entscheiden, wo es tagt."
Wenn es auch keiner ausspricht, die Antwort auf diese Standortfrage lautet freilich Brüssel. Dennoch: Ganz bewusst verlangt das Parlament formal nur eine Befreiung der Bevormundung durch den Rat, also die Staats- und Regierungschefs. Der Punkt ist: Die Entscheidung, wo das EU-Parlament tagt, liegt weiter bei besagtem Rat - und solange sich Frankreich querstellt, kann die Resolution allenfalls als hübscher Wandschmuck dienen.
Die Abgeordneten werden erstmal weiter pendeln müssen. Aber immerhin weiß man jetzt, dass sie selbst dagegen sind.
Bild: BRF
Da hat das EU-Parlament einen vernünftigen Beschluß gefasst. Das passiert selten genug. Hoffentlich wird er auch bald in die Tat umgesetzt.Jährlich 150 Millionen Euro vergeuden, nur um ein SYMBOL zu dienen? Das ist unfassbar!
Wer glaubt die "Grande Nation" hätte in im letzten Jahrzehnt etwas dazugelernt wird wohl enttäuscht werden. Frankreich hat seine "Winzigkeit" in einem zentralistischen Europa noch nicht erkannt. Mental ist man im Elysee immer noch in der Kolonialzeit. Da die Kommission auf absehbarer Zeit die Zügel nicht aus der Hand geben wird geht der Zirkus weiter, wobei man sich fragen darf in wieweit dieses Ein und Auspacken nicht die einzige tatsächliche Tätigkeit dieser Behörde ist.
Und da im Rat, einstimmige Beschlüsse gefaßt werden müßen kann man auf den definitiven Umzug nach Brüssel lange warten - die "Grande Nation" hat zwar die Nato rausgeworfen, aber der Verlust der damit verbundenen Arbeitsplätze schmerzt jetzt noch. Die werden den Teufel tun und dasselbe mit Straßburg machen, Elsaß-Lothringen, also die Region um Straßburg ist eh arg gebeutelt vom Arbeitsplatzverlust. Die werden sich hüten...