Erstmals in Deutschland steht ein ehemaliger Bundespräsident wegen Korruptionsverdachts vor Gericht. Begleitet von riesigem Medieninteresse erschien Christian Wulff am Donnerstag in Hannover vor den Richtern. Anderthalb Jahre nach dem Rücktritt als Bundespräsident muss sich der 54-Jährige wegen Vorteilsannahme verantworten. Wulff gab sich beim Eintreffen im Landgericht Hannover demonstrativ gelassen: "Ich bin mir ganz sicher, dass ich auch den allerletzten Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe im Amt."
Die Verlesung der Anklage dauerte nur wenige Minuten. Staatsanwaltschaft Clemens Eimterbäumer führte aus, dass sich Wulff nach Erkenntnissen der Ermittler als niedersächsischer Ministerpräsident korrupt verhalten haben soll, als er sich von Filmproduzent David Groenewold 2008 zu einem Oktoberfestbesuch einladen ließ.
Gefälligkeit für 700 Euro?
In der Folgezeit habe Wulff den Eindruck vermittelt, dass er bei Siemens-Chef Peter Löscher für ein Filmprojekt Groenewolds um Sponsoring werben würde. Dies habe er dann am 15. Dezember 2012 auch getan. Groenewold ist mit angeklagt, ihm wird Vorteilsgewährung vorgeworfen. Staatsanwalt Eimterbäumer betonte, aus Sicht der Anklage sei auch eine Verurteilung Wulffs wegen Bestechlichkeit denkbar.
Wulffs Verteidiger Michael Nagel erklärte, die Hypothese sei absurd, dass Wulff sich "für einen Freund wegen ein paar hundert Euro gefällig gezeigt" haben solle. Das Verfahren dürfe nicht weiter Gefahr laufen, zu einem Schauspiel zu werden. Verteidiger Bernd Müssig betonte, Wulff sei schwerer öffentlicher Schaden zugefügt worden. Die Verteidigung erwarte, dass die Anklage niedergeschlagen werde. "Es darf bei einem Freispruch nichts hängen bleiben."
Nach Abschluss der Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft Wulff im März zunächst angeboten, das Verfahren gegen 20 000 Euro Geldauflage einzustellen. Groenewold hätte 30.000 Euro zahlen sollen. Beide lehnten das Angebot aber ab, sie wollen für einen Freispruch kämpfen.
Noch vor Verlesung der Anklage kam es zu einer kurzen Prozesspause. Die Verteidigung von Groenewold rügte, es seien zu wenig Plätze für Prozessbesucher vorhanden und zu viele für Journalisten.
Die ersten Berichte über Vergünstigungen für den früheren CDU-Politiker Wulff waren im Dezember 2011 aufgekommen. Ausgangspunkt war ein günstiger Kredit, den ein befreundeter Unternehmer Wulff für den Kauf seines Eigenheims in Großburgwedel gewährt hatte. Später wurde auch ermittelt wegen der Urlaube des Politikers in Auslandsimmobilien mit ihm bekannter Unternehmer, unter anderem von Finanzberater Carsten Maschmeyer und Talanx-Aufsichtsratschef Wolf-Dieter Baumgartl.
Im Zuge der Untersuchungen der Justiz stellte sich aber heraus, dass fast alle Vorwürfe strafrechtlich bedeutungslos waren. Angeklagt ist Wulff jetzt nur noch wegen rund 700 Euro, die Filmproduzent Groenewold unter anderem für Hotelübernachtungen bezahlt haben soll, als Wulff 2008 mit seiner Frau das Münchner Oktoberfest besuchte.
Richter Frank Rosenow schloss die Verhandlung am Donnerstag nach knapp drei Stunden.
Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Hannover hat für den Prozess 22 Verhandlungstage bis Anfang April kommenden Jahres angesetzt. 46 Zeugen sind geladen, darunter auch einige Prominente.
dpa/mh Bild: Kai Pfaffenbach (afp)