Begleitet von riesigem Medieninteresse hat in Hannover der Korruptionsprozess gegen Christian Wulff begonnen. Anderthalb Jahre nach seinem Rücktritt als Bundespräsident steht Wulff wegen Vorteilsannahme vor Gericht. Der Vorsitzende Richter Frank Rosenow eröffnete das Verfahren um 10:10 Uhr.
Zur Verlesung der Anklage kam es zunächst noch nicht, weil die Verteidigung des mitangeklagten Unternehmers David Groenewold einen ersten Antrag stellte. Gerügt wurde, es seien zu wenig Plätze für normale Prozessbesucher vorhanden und zu viele für Journalisten. Die Sitzung wurde deswegen um kurz vor 10.30 Uhr für eine halbe Stunde unterbrochen.
Beim Eintreffen im Landgericht Hannover sagte Wulff: "Dies ist sicher kein einfacher Tag." Er betonte aber auch: "Ich bin mir ganz sicher, dass ich auch den allerletzten Vorwurf ausräumen werde, weil ich mich immer korrekt verhalten habe im Amt." Mit Wulff steht erstmals ein Ex-Staatsoberhaupt der Bundesrepublik vor Gericht.
Diverse Vorwürfe gegen Wulff geprüft
Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft verhielt sich Wulff als niedersächsischer Ministerpräsident korrupt, als er sich von Filmfinanzier Groenewold 2008 zu einem Oktoberfestbesuch einladen ließ. Später soll Wulff bei Siemens für ein Projekt Groenewolds um Unterstützung geworben haben.
Im Zuge der Untersuchungen prüfte die Justiz diverse Vorwürfe gegen Wulff. Am Ende stellte sich heraus, dass fast alle strafrechtlich bedeutungslos waren. Angeklagt ist Wulff deswegen jetzt nur noch wegen rund 700 Euro, die Filmproduzent Groenewold unter anderem für Hotelübernachtungen bezahlt haben soll, als Wulff 2008 mit seiner Frau das Münchner Oktoberfest besuchte.
Die Staatsanwaltschaft hatte nach Abschluss der Ermittlungen angeboten, das Verfahren gegen 20.000 Euro Geldauflage einzustellen. Groenewold hätte 30.000 Euro zahlen sollen. Beide lehnten das ab.
Die 2. Große Strafkammer des Landgerichts Hannover hat für das Verfahren 22 Verhandlungstage bis Anfang April kommenden Jahres angesetzt. 46 Zeugen sind geladen, darunter auch einige Prominente.
Für den ersten Prozesstag sind noch keine Zeugen geladen. "Der Plan ist, die Anklage zu verlesen", sagte Gerichtssprecher Martin Grote. Ob es bereits davor Anträge der Verteidigung geben werde, sei offen. Am zweiten Verhandlungstag sollen vier Zeugen aussagen.
dpa/est - Bild: Julian Stratenschulte (afp)