Nach mehr als neunjähriger Bauzeit sind Europa und Asien jetzt durch einen Bahntunnel auf dem Meeresgrund in Istanbul verbunden. Die türkische Staatsführung und internationale Ehrengäste weihten das häufig als "Jahrhundertprojekt" bezeichnete Bauwerk am Dienstag zum 90. Jahrestag der Republikgründung ein.
Die "Marmaray"-Verbindung durch den Bosporus soll stündlich bis zu 75.000 Menschen befördern. Der Tunnel durchquert die Meerenge in 56 Metern Tiefe und auf einer Länge von 1,4 Kilometern. Er soll dazu beitragen, den Verkehrsinfarkt in der Millionenmetropole abzuwenden.
Zu dem Bauwerk gehört eine Schienenstrecke durch Stadtteile Istanbuls auf beiden Kontinenten. Zunächst soll nur die Unterquerung der Meerenge mit einer S-Bahn in Betrieb gehen. Von 2015 an soll der Tunnel auch für den Fernverkehr von Zügen genutzt werden und dann die erste normalspurige Verbindung zwischen Europa und Asien sein.
Das 13,6 Kilometer lange Bauwerk - wovon 1,4 Kilometer unter Wasser verlaufen - zählt zu den weltweit größten Infrastrukturprojekten der vergangenen Jahre. Die türkische Regierung hofft, den Bahntunnel später als Teil einer "eisernen Seidenstraße" betreiben zu können, über die Verkehr zwischen China und Europa laufen könne.
Das "Marmaray"-Projekt kostet mehr als 2,5 Milliarden Euro und wurde von einem japanisch-türkischen Konsortium verwirklicht. Der Tunnel ist nach Angaben der Konstrukteure auch bei schweren Erdbeben noch sicher, woran unabhängige Experten allerdings Zweifel äußerten. Istanbul ist stark erdbebengefährdet.
Beim Bau waren zahlreiche archäologische Funde gemacht worden, die die Arbeiten verkomplizierten. "Marmaray" ist ein Kunstwort aus Marmara, dem in den Bosporus übergehenden Binnenmeer, und "ray", dem türkischen Wort für Gleis. Zur Eröffnung des Tunnels reiste auch der japanische Ministerpräsident Shinzo Abe an.
Proteste gegen Erdogan
In Istanbul haben am 90. Jahrestag der Republikgründung Tausende Menschen gegen die islamisch-konservative Regierung demonstriert. Die Polizei setzte im Stadtzentrum nach türkischen Medienberichten vereinzelt Tränengas ein. Kritiker werfen Erdogan vor, das säkulare Erbe Atatürks untergraben und die Türkei islamisieren zu wollen.
Im Sommer war es in der Türkei wochenlang zu schweren Unruhen gekommen, die sich an Plänen der Regierung entzündet hatten, den Gezi-Park am Taksim-Platz zu bebauen. Sie richteten sich bald vor allem gegen den autoritären Stil Erdogans. Die Proteste haben nachgelassen, flammen gelegentlich aber besonders in Istanbul und in der Hauptstadt Ankara wieder auf.
dpa/mh - Bild: Ozan Kose (afp)