Die Universität Gießen geht Plagiatsvorwürfen gegen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier nach. Es sei ein Schreiben eingegangen, in dem die Überprüfung von Steinmeiers Doktorarbeit angeregt werde, teilte die mittelhessische Hochschule am Sonntag mit. Voraussichtlich an diesem Montag (30.9.) werde entschieden, wie man weiter vorgehen wolle.
Zuvor hatte das Magazin "Focus" unter Berufung auf den Wirtschaftswissenschaftler Uwe Kamenz gemeldet, Steinmeiers 1991 in Gießen eingereichte Promotion weise "umfangreiche Plagiatsindizien" auf. Steinmeier sprach auf "Focus"-Anfrage von einem "absurden Vorwurf". "Sollte sich die Uni Gießen zu einer Überprüfung entschließen, sehe ich dem Ergebnis mit großer Gelassenheit entgegen."
Problematische Übereinstimmungen
Wie "Focus" weiter schrieb, verglich Professor Kamenz Steinmeiers Arbeit "Tradition und Perspektiven staatlicher Intervention zur Verhinderung und Beseitigung von Obdachlosigkeit" per Computersoftware mit 95 Quellen. An mehr als 500 Stellen seien problematische Übereinstimmungen registriert worden. Die "Indizienlage" sei vergleichbar mit dem Fall der früheren Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Sie setzt sich derzeit gerichtlich gegen den Entzug ihres Doktortitels durch die Universität Düsseldorf zur Wehr.
Der BWL-Professor Kamenz hatte vor zwei Jahren mit der Ankündigung für Aufsehen gesorgt, 1000 Doktorarbeiten von Politikern auf Betrügereien zu untersuchen, um "Plagiate in Deutschland auszurotten". Unter Experten war sein computergestütztes Plagiaterkennungssystem "Profnet", für dessen Einsatz er auch Finanzsponsoren suchte, allerdings umstritten. An der Fachhochschule Dortmund ist Kamenz als Professor für Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt Marketing tätig.
Der Berliner Jura-Professor Gerhard Dannemann, der eine Zwischenversion des Prüfberichts von Kamenz ansehen konnte, wertete nach "Focus"-Angaben einen Großteil der Indizien als "lässliche Sünden". Mindestens drei Passagen seien aber kritisch: "Wenn der Prüfungsbericht hier die Quellen richtig wiedergibt, wären das Verstöße gegen die Zitierregeln, die den Bereich des Tolerierbaren klar überschreiten würden."
In den vergangenen Jahren hatten Plagiatsvorwürfe eine Reihe Politiker in Bedrängnis gebracht. Der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) war das erste prominente Opfer - er zog sich aus der aktiven Politik zurück und ging nach Amerika. Bildungsministerin Schavan bot erst nach langem Zögern ihren Rücktritt an. Den FDP-Europapolitikern Silvana Koch-Mehrin und Jorgo Chatzimarkakis wurden ihre Doktortitel im Sommer 2011 entzogen. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) musste sich im Sommer 2013 gegen anonym veröffentlichte Plagiatsvorwürfe wehren. Die Universität Bochum hat ihre Prüfung des Falls noch nicht abgeschlossen.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier setzt sich gegen Plagiatsvorwürfe wegen seiner juristischen Doktorarbeit zur Wehr. Die Anschuldigungen seien absurd, sagte der Politiker dem Magazin "Focus". Einer Überprüfung der Arbeit durch die Universität Gießen sehe er mit Gelassenheit entgegen, betonte der SPD-Politiker.
dpa/mh - Bild: Odd Andersen (afp)