EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard hofft, dass der am Freitag veröffentlichte Bericht des Weltklimarates bislang zurückhaltende Regierungen zum Handeln motiviert. Der Bericht helfe zu verstehen, dass es notwendig sei, ambitioniert zu handeln, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa in New York. "Es gibt absolut keinen Platz für Bequemlichkeit."
Der Bericht kommt nach den Worten von Hedegaard zum richtigen Zeitpunkt. Die Regierungen hätten nun Zeit, das Problem bis zur Weltklimakonferenz 2015 in Paris zu studieren, damit sie dort wesentliche Verpflichtungen eingehen könnten. "Manche Menschen vergessen den Klimawandel vielleicht. Aber der löst sich nicht von selbst, es gibt ihn immer noch", sagte Hedegaard.
Verantwortungsbewusste Politiker müssen handeln
Der neue Bericht sei eine Bestätigung früherer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Es gebe keinen Grund, sich entspannt zurückzulehnen, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur dpa in New York.
Hat die Europäische Kommission diese Ergebnisse des IPCC-Reports erwartet?
Antwort: Es hätte mich sehr überrascht, wenn die Wissenschaftler uns gesagt hätten: "Ihr könnt euch entspannen, geht an den Strand, der Alarm ist abgeblasen." Aber das sagen sie definitiv nicht. Ich glaube, dass die Wissenschaftler in den vergangenen Jahren ihr Wissen gefestigt haben (...) Ich bin der Ansicht, wenn man 95-prozentige Gewissheit hat, dann braucht man keine 100 Prozent verlangen (...) Grundsätzlich gibt es zwei Arten von Menschen: Jene die sagen: "Fangen wir an zu handeln", und natürlich auch einige die sagen: "Warum drücken wir nicht die Daumen und setzen auf die 5 Prozent?". Ich hoffe, dass die meisten verantwortungsbewussten Politiker zur ersteren Gruppe gehören.
Frage: Die EU besteht auf die Einführung einer Klimaabgabe für Fluglinien. Aus diplomatischen Kreisen gibt es Gerüchte über einen möglichen Kompromiss: Die Abgabe könnte sich nur auf Emissionen für die Strecke beziehen, die innerhalb der EU zurückgelegt wird. Könnte die EU dem zustimmen?
Antwort: Wir haben ein Programm für den Emissionshandel, und egal wie wir Distanzen messen, wird es immer noch dieses Programm sein. Das ist ein grundsätzliches System, dass wir haben. Es gibt nun (bei der Konferenz der Internationalen Zivilluftfahrt-Organisation ICAO, Anm.) in Montreal Diskussionen darüber. Ich glaube, dass es auch bei den verschiedenen Gruppen außerhalb Europas wachsendes Verständnis gibt, aber wir müssen das jetzt machen (...) Es gibt ein Paket, und darin gibt es Inhalte, die manche nicht mögen, und auch Elemente, die ich nicht mag, die ich anders gemacht hätte, wenn ich oder die EU allein entschieden hätten, aber es ist ein vorsichtig ausgewogenes Paket und ich kann die Parteien nur auffordern, ihm zuzustimmen.
Frage: Wie schätzen Sie die Rolle der USA und Chinas im Kampf gegen den Klimawandel ein?
Antwort: Bei den USA ist die gute Nachricht, dass es der Regierung ernst ist, das hat (Präsident Barack) Obama in vielen Ansprachen gesagt. Sie versuchen, das jetzt in konkrete Bemühungen umsetzen. Das ist gut, aber auch dringend erforderlich. Ich glaube, dass wir auch in der chinesischen Führung ein stark wachsendes Verständnis sehen, dass man nicht nur an kurzfristiges Wachstum denken kann und die Auswirkungen auf die Umwelt ausklammert (...) Sie kümmern sich nun aus einer Reihe von Gründen darum, nicht nur wegen des Klimawandels, aber wenn zum Beispiel die Hauptstadt wochen-, wenn nicht monatelang im Smog versinkt, dann beginnt dies, die gesellschaftliche Stabilität zu gefährden, und die gesundheitlichen Auswirkungen sind groß (..) Die Dinge beginnen, sich zu ändern, aber die große Frage ist, ändern sie sich schnell genug?
Osborne: Großbritannien will keine Vorbildrolle für Klimaschutz
Großbritannien will in Sachen Klimaschutz nach den Worten von Finanzminister George Osborne nicht in der ersten Reihe stehen. "Ich möchte nicht, dass wir das einzige Volk da draußen sind, vor allen anderen in der Welt", sagte Osborne in einem Interview der "Times" (Samstag).
"Ich möchte die billigste mögliche Energieversorgung für das Land bereitstellen, sie muss verlässlich sein, mit anderen Worten eine stetige Versorgung, aber auch im Einklang mit unserem Ziel, unseren Part im internationalen Kampf gegen den Klimawandel zu spielen", sagte Osborne.
Er sprach sich gegen Pläne der Opposition aus, die klimafeindliche Kohleverbrennung bis 2030 aus dem Energiemix zu verbannen. Es mache keinen Unterschied für das Klima, ob eine Aluminiumhütte ihre Kohle in Großbritannien oder anderswo in der Welt nutze. Es mache aber einen großen Unterschied für diejenigen in Großbritannien, die deswegen ihren Job verlören. Einen Tag zuvor hatten Wissenschaftler im neuesten Weltklimabericht Alarm geschlagen und fortschreitende Erderwärmung sowie steigende Meeresspiegel vorausgesagt.
Interview: Sergio Rozalén, dpa/fs - Bild: Jay Directo (afp)