Im aufgeheizten Streit um die politische Zukunft von Silvio Berlusconi wird die italienische Regierung die Vertrauensfrage im Parlament stellen. Ministerpräsident Enrico Letta werde dies nach einer programmatischen Rede in beiden Kammern tun, sagte sein Minister für Regionales, Graziano Delrio, am Freitagabend nach einer mehrstündigen Kabinettssitzung in Rom. Diese "Klärung" werde wahrscheinlich bereits am Montag oder Dienstag erfolgen, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete.
Letta will wissen, ob er auch nach der Rücktrittsdrohungen von Berlusconi-Abgeordneten Rückhalt für seine Politik im Parlament hat. Er zwingt damit Berlusconis Mitte-Rechts-Partei PdL (Volk der Freiheit), deutlich zu machen, ob sie noch zu der Regierung steht.
PdL-Parlamentarier haben mit einem "Massenrücktritt" gedroht, sollte der rechtskräftig wegen Steuerbetrugs verurteilte Berlusconi bei einer Senatssitzung am 4. Oktober aus der Kammer ausgeschlossen werden. Die PdL ist wichtigster Koalitionspartner der Demokratischen Partei (PD) von Letta. Die Regierung steht deshalb wegen Berlusconis unklarer Zukunft als Senator seit Wochen am Rande einer Krise.
Krisengespräche mit Staatspräsident Napolitano
Letta begann am Freitag Krisengespräche mit Staatspräsident Giorgio Napolitano. Der Staatschef hatte Berlusconis Partei scharf kritisiert. Sie sollte nicht die Funktionsfähigkeit des Parlaments aufs Spiel setzen, sagte Napolitano. Es sei absurd, dass Berlusconi ein Gerichtsurteil gegen sich als einen "Staatsstreich" und als "zersetzende Operation" bezeichne. Ungeachtet dieser Kritik wollen Berlusconis Anhänger am 4. Oktober für ihre Leitfigur demonstrieren.
Erst wenn alle fünf PdL-Minister die Regierung aus Protest verließen, breche eine Regierungskrise aus, hielten italienische Verfassungsexperten fest. Und auch das Parlament funktioniere weiter, solange nicht die Mehrheit seiner Mitglieder zurücktrete.
Sollte es zu einer Regierungskrise mit Rücktritt kommen, könnte Napolitano erneut Letta oder einen anderen Politiker beauftragen, eine andere Regierungsmehrheit zu suchen. Der Staatschef war bisher dagegen, das Parlament aufzulösen und Neuwahlen auszuschreiben.
dpa/jp - Bild: Gabriel Bouys (afp)