Im Konflikt um das iranische Atomprogramm gibt es erstmals seit langer Zeit wieder Hoffnung auf eine friedliche Lösung. Grund sind versöhnliche Äußerungen des neuen iranischen Präsidenten Hassan Ruhani. Die US-Regierung hat den Annäherungskurs begrüßt und will der Diplomatie eine Chance geben.
Am Rande der UN-Generalversammlung in dieser Woche in New York wird es zu einem hochrangig besetzen Treffen der Vetomächte im UN-Sicherheitsrat und Deutschland (5+1-Gruppe) mit dem Iran kommen. Das teilte das Weiße Haus mit. Sowohl US-Außenminister Kerry als auch sein iranischer Amtskollege Sarif würden daran teilnehmen. Zuvor hatte EU-Außenkoordinatorin Ashton ein weiteres bilaterales Treffen im Oktober in Genf angekündigt.
Laut US-Medien wäre dies das erste Aufeinandertreffen ranghoher Diplomaten beider Länder seit der iranischen Revolution 1979. «Das ist eine Gelegenheit für uns die Bedeutung zu bekräftigen, dass der Iran mit seinen internationalen Pflichten in Einklang kommt», sagte der stellvertretende US-Sicherheitsberater Ben Rohdes.
Nur einer stört die erhoffte neue Harmonie: Benjamin Netanjahu. Der israelische Ministerpräsident wird am kommenden Montag (30. September) von US-Präsident Barack Obama im Weißen Haus empfangen. Danach spricht Netanjahu vor der UN-Vollversammlung in New York.
Dabei dürfte er keinen Hehl daraus machen, was er von den iranischen Schmeicheleien hält: Alles nur eine hinterlistige Falle des Erzfeindes. Für Obama könnte das Treffen mit Netanjahu eine schwierige Gratwanderung werden. Das persönliche Verhältnis zwischen beiden Staatsmännern gilt seit langem als kompliziert.
Einerseits will Obama auf eine friedliche Lösung setzen, anderseits könnten ihn Netanjahus Mahnungen als politisch leichtgläubig erscheinen lassen. Noch vor einem Jahr war Obama einer Begegnung mit Netanjahu wohl wegen Differenzen in der Iran-Frage aus dem Weg gegangen. Und der Israeli hält auch jetzt mit seiner ablehnenden Meinung nicht hinter dem Berg.
Ruhani täusche die Welt, giftete Netanjahu vor kurzem. «Man darf sich nicht von den betrügerischen Worten des iranischen Präsidenten hinters Licht führen lassen. Er verdreht alles, damit sich die Zentrifugen (für die Urananreicherung) weiter drehen können», sagte Israels Regierungschef in Jerusalem. Die iranische Führung wolle nur einen unbedeutenden Teil ihres Atomprogramms aufgeben, die Fähigkeit zum Atomwaffenbau aber erhalten.
Der Westen dürfe im Falle des Irans nicht in dieselbe Falle tappen wie bei Nordkorea, werde Netanjahu warnen. Das schrieb die Zeitung «New York Times» unter Berufung auf einen ungenannten engen Mitarbeiter des Regierungschefs. Netanjahu werde daran erinnern, dass Pjöngjang noch 2005 seine Bereitschaft zum Verzicht auf Kernwaffen im Gegenzug für Wirtschaftshilfe angedeutet, aber nur gut ein Jahr später dann einen ersten Atombombentest gemeldet habe.
Unabhängige Kommentatoren wie die Iran-Expertin Emily Landau vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv sind weniger pessimistisch, raten aber gleichwohl zur Vorsicht. Das erfolgreiche Zusammenspiel von militärischer Drohung und Diplomatie in der Syrienkrise habe die Blaupause auch für eine Lösung des Atomkonflikts mit dem Iran geliefert, sagt Landau.
Das Weiße Haus ist derweil bemüht, Israels Besorgnisse zu zerstreuen. Das geschieht allerdings ohne große Worte - man will keineswegs riskieren, den Iran in dieser Phase der Ruhani-Ouvertüren unnötig zu brüskieren. So setzt man denn auf stille Überzeugungsarbeit: Washingtoner Regierungsbeamte hätten Netanjahu im Vorfeld des Treffens hinter den Kulissen wiederholt bedeutet, dass man nicht naiv sei, nicht einfach so dem Charme des Neuen in Teheran erliegen werde, berichtet die «New York Times».
Aber die Obama-Administration sieht auf der anderen Seite in Ruhanis Wahl klar eine Chance, endlich ein internationales Dauerproblem zu lösen. Die Hoffnung sei berechtigt, weil der neue Präsident anscheinend anders als sein Vorgänger von Ayatollah Ali Chamenei die Befugnis zum Verhandeln erhalten hat, wie es in Washington heißt.
Experten meinen unterdessen, dass der gewiefte Netanjahu mit seinen jüngsten Tiraden gegen den iranischen «Wolf im Schafspelz» insbesondere auch den US-Kongress im Auge hatte. Er weiß, dass dort viele sitzen, die Obamas Iran-Kurs seit Jahr und Tag für viel zu lasch halten. Sie könnten Obama bremsen, sollte der Demokrat zu eilfertig den Druck von Teheran nehmen.
Für den US-Präsidenten heißt dies, dass er auf dem Weg zu einer Iran-Übereinkunft gleich an mehreren Fronten harte Überzeugungsarbeit zu leisten hat.
Der Westen vermutet in dem iranischen Atomprogramm ein Rüstungsprojekt. Teheran selbst bestreitet aber, eine Atombombe bauen zu wollen.
dpa/jp - Bild: Vyacheslav Oseledko (afp)