Geiseln sind zwar frei, doch das Bangen geht weiter. Noch immer belagern Sicherheitskräfte das von Islamisten angegriffene Einkaufszentrum in Nairobi. Kenia baut dabei auch auf Hilfe aus Israel und den USA.
Die Geiselnahme in Nairobi entwickelt sich zum Nervenkrieg. Die Belagerung des Westgate-Einkaufszentrums durch Islamisten der Al-Shabaab-Miliz ging am Montag in den dritten Tag. Noch immer ist nicht klar, wie viele Menschen sie in ihrer Gewalt haben. Wie das Rote Kreuz mitteilte, kamen 69 Menschen bei der Terrorattacke am Samstag ums Leben, von 63 weiteren fehlt derzeit jede Spur. Mindestens 175 Menschen wurden verletzt.
Der Einsatz von Elitetruppen schien in die entscheidende Phase zu gehen. Seit dem frühen Morgen waren immer wieder Schüsse aus dem vierstöckigen Komplex zu hören. Augenzeugen berichteten auch von einer heftigen Explosion. Offenbar halten sich noch immer bis zu 15 Angreifer der radikalislamischen Miliz aus Somalia im Gebäude auf.
Nach Angaben des kenianischen Militärs konnten in der Nacht viele Geiseln gerettet werden. Zuvor waren die Sicherheitskräfte weit in das Gebäude vorgedrungen. Das Innenministerium teilte mit, Präsident Uhuru Kenyatta und die Regierung würden nicht eher ruhen, bis die Belagerung beendet sei. Kenyatta hat sich bereits mehrmals in Fernsehansprachen an sein Volk gewandt und zu Ruhe und Geduld aufgerufen. "Wir sind erschöpft und müde, aber dies ist nicht die Zeit um aufzugeben", schrieb das Ministerium auf Twitter.
Spezialkräfte aus Israel und den USA
In die Geiselbefreiung waren demnach neben der nationalen Eliteeinheit Recce auch Spezialkräfte aus Israel und den USA einbezogen. Dabei ging es anscheinend vor allem um Aufklärung. Ob ausländische Spezialkräfte mit in das Gebäude eindrangen, blieb unklar. Offen ließ Militärsprecher Cyrus Oguna auch, ob außer Somaliern auch Kämpfer aus anderen Staaten zu den Terroristen gehörten. Medienberichten zufolge nahm die Polizei aber einen verdächtigen Kenianer fest, der mit der Attacke in Zusammenhang stehen soll. Der 33-Jährige sei kürzlich zum Islam übergetreten. Er lebe in Meru im Osten des Landes und sei gefasst worden, als er gerade ein Flugzeug in die Türkei besteigen wollte.
Bei der am Samstagmittag gestarteten Attacke der Terroristen waren mindestens 68 Menschen getötet sowie 175 weitere verletzt worden. Mehr als 1000 Menschen sollen sich zum Zeitpunkt des Angriffs in dem Gebäude befunden haben. Viele sollen laut Einträgen beim Kurznachrichtendienst Twitter noch vermisst sein. Dafür gab es jedoch zunächst keine Bestätigung. Der Überfall war der schwerste Terroranschlag in Kenia seit einem Sprengstoffanschlag auf die US-Botschaft vor 15 Jahren.
Weitere Attacken angekündigt
Ein Anführer der Al-Shabaab kündigte weitere Attacken an. Das ostafrikanische Land erklärte er zum Kriegsgebiet. Angriffe auf das Land und seine Bürger würden bis zum Rückzug der kenianischen Truppen aus dem Süden Somalias fortgesetzt, sagte der nicht näher benannte Mann in einem Interview des britischen TV-Senders "Channel 4". Kenia hatte das Nachbarland in den vergangenen Jahren beim Kampf gegen die Extremisten militärisch unterstützt.
Unter den Toten sind mehrere Ausländer, darunter drei Briten, zwei Französinnen, zwei Kanadier und eine Niederländerin. Mehrere US-Bürger wurden verletzt. Auch der bekannte ghanaische Dichter Kofi Awoonor kam ums Leben. Interpol und viele Regierungen der Welt boten Kenia ihre Hilfe bei der Strafverfolgung der Täter an.
Wegen der Terrorattacke hat das Weltstrafgericht den Prozess gegen den kenianischen Vizepräsidenten William Ruto für eine Woche unterbrochen. Er steht in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit der Gewaltwelle nach der Präsidentenwahl in Kenia 2007 vor Gericht. Ruto dürfe nach Kenia zurückkehren, entschieden die Richter. Die Verteidigung hatte am Sonntagabend eine Prozesspause beantragt, da Ruto wegen der "nationalen Sicherheit" dringend in seinem Land gebraucht werde.
dpa/rkr - Bild: Carl de Souza (afp)