Bei einer der größten Offensiven seit Jahren geht das ägyptische Militär auf der Sinai-Halbinsel gegen islamistische Milizen vor. Nach Armeeangaben begann die Operation, bei der mindestens neun Menschen getötet wurden, am frühen Samstagmorgen. Soldaten und Polizisten machten im Nordsinai an der Grenze zu Israel mit Kampfhubschraubern und Panzern Jagd auf Dschihadisten, wie aus Sicherheitskreisen verlautete.
Nach Berichten von Augenzeugen nahmen "Apache"-Hubschrauber Ziele in der Nähe der Stadt Rafah unter Beschuss. Militärsprecher Ahmed Ali berichtete am Sonntag auf seiner Facebook-Seite, dass neben den getöteten Dschihadisten auch neun Milizionäre festgenommen worden seien. Seinen Angaben nach wurden zahlreiche Waffen beschlagnahmt, unter anderem Panzerfäuste, ein Maschinengewehr und selbstgebaute Sprengsätze. Waffenlager seien zerstört worden. Die Zeitung "Al-Masry al-Youm" schrieb unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass auch zwei Soldaten ums Leben kamen, als am Straßenrand ein Sprengsatz explodierte.
Am Donnerstag hatte es in Kairo einen Anschlag auf Innenminister Mohammed Ibrahim gegeben. Er überlebte. Der genaue Tathergang ist nach wie vor unklar. Die staatliche Zeitung "Al-Ahram" berichtete unter Berufung auf Sicherheitskreise, dass die Tat von einem Selbstmordattentäter verübt worden war, der den Milizen auf dem Sinai angehört habe. Das blieb vorerst unbestätigt. Die Zahl der Verletzten wurde von Sicherheitsbehörden zunächst mit über 70 beziffert, staatliche Medien berichteten zuletzt jedoch von einem Toten und 21 Verletzten.
Der Norden der Sinai-Halbinsel wird für die Behörden zunehmend zum Problem: Seit dem Sturz von Langzeitmachthaber Husni Mubarak im Februar 2011 treiben dort dschihadistische Milizen ihr Unwesen. Immer wieder gibt es Angriffe auf Sicherheitsbehörden und Gaspipelines. Das ägyptische Militär muss Einsätze im Grenzgebiet allerdings mit Israel absprechen, da diese sonst gegen das Friedensabkommen von Camp David verstoßen würden.
Ägypten startet weiteren Anlauf für neue Verfassung
In Kairo startete derweil ein neuer Anlauf für eine neue Verfassung. Am Sonntag kam erstmals der Verfassungsrat zusammen, der innerhalb von 60 Tagen einen Entwurf erarbeiten soll. Zum Vorsitzenden des 50-köpfigen Gremiums wurde der ehemalige Präsidentschaftskandidat Amre Mussa gewählt. Dem Verfassungsrat gehören auch Künstler, Schriftsteller, Jugendaktivisten, Vertreter des Al-Azhar Islam-Instituts und der koptischen Kirche an. Islamisten sind kaum vertreten. Salafisten kritisierten im Vorfeld, der Verfassungsrat werde von "Feinden der Scharia" dominiert.
Der am 3. Juli gestürzte islamistische Präsident Mohammed Mursi hatte mit seinen Muslimbrüdern im Eilverfahren eine Verfassung durchgeboxt, die den Religionsgelehrten mehr Macht gab. Bei einem Referendum wurde sie mehrheitlich angenommen. Das Militär setzte das Regelwerk aber wieder außer Kraft. Über den neuen Entwurf soll ebenfalls das Volk abstimmen. Anschließend sind Parlaments- und Präsidentschaftswahlen geplant.
Gegen Mursi wurde am Wochenende erneut Anklage erhoben: wegen Beleidigung der Justiz. Ein Richter ordnete eine viertägige Untersuchungshaft für den Islamisten an, der an einem unbekannten Ort festgehalten wird. Wie die Medien berichteten, soll Mursi die Richter, die bei der Parlamentswahl im Jahr 2005 die Aufsicht führten, vor kurzem beschuldigt haben, die Abstimmung manipuliert zu haben.
Gegen Mursi laufen mehrere Verfahren. So wird ihm der Tod von Demonstranten zur Last gelegt sowie eine Verschwörung mit der radikalen Palästinenserbewegung Hamas bei der Befreiung von Insassen eines Gefängnisses im Januar 2011 - während der Massenproteste gegen Ex-Präsident Husni Mubarak.
dpa/mh - stringer/afp