Die EU-Regierungen stellen sich auf einen möglichen Militärschlag der USA gegen das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad ein. Die Außenminister der 28 EU-Staaten berieten am Freitag über eine gemeinsame Haltung zu der erwarteten Militäraktion. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton machte deutlich, man erwarte von einem für Samstag geplanten Gespräch der Minister mit US-Außenminister John Kerry weitere Informationen über die US-Pläne.
Die USA sind überzeugt, dass Assad für einen Giftgaseinsatz verantwortlich ist, bei dem rund 1400 Menschen starben. Syrien bestreitet das.
Ashton sagte, die Welt sei sich in der Abscheu über chemische Waffen einig. "In all meinen Diskussionen rund um die Erde und innerhalb der EU hat niemand behauptet, dass es sich nicht um einen Einsatz von Chemiewaffen gehandelt hat", sagte sie. Sie bekräftigte erneut, der Konflikt könne nur auf politischem Wege gelöst werden.
Der dänische Außenminister Villy Søvndal forderte ein deutliches Zeichen an den syrischen Präsidenten: Es sei "ein moralischer Rückschritt", wenn die Welt den seiner Ansicht nach verantwortlichen Assad nicht bestrafe. "In der besten aller Welten würde der Sicherheitsrat seine Verantwortung übernehmen, aber wir wissen alle, wie schwer das ist", sagte er. "Und das Schlimmste wäre ein Szenario, wo nichts geschieht, wo Assad erfahren würde, er kann das hier machen ohne irgendwelche Konsequenzen zu befürchten."
Auf die Frage nach einem US-Angriff vor der Veröffentlichung eines Berichts der UN-Chemiewaffeninspekteure sagte der schwedische Außenminister Carl Bildt: "Soweit sind wir noch nicht." Indien, China und Brasilien seien nicht von den Informationen des US-Geheimdienstes überzeugt: "Das ist nun mal die Welt, in der wir leben." Vom Bericht der Inspekteure seien wichtige Informationen zu erwarten, die möglicherweise auch Rückschlüsse auf den Hersteller zuließen. Der Bericht sei "wichtig, um internationale Glaubwürdigkeit zu schaffen".
Der niederländische Ressortchef Frans Timmermans sagte, die UN müsse "in die Lage versetzt werden, auf der Basis des Berichts der Inspekteure Schlussfolgerungen zu ziehen".
"Wir sind nicht in der Lage, zu sagen, ob es eine Militäraktion geben sollte oder nicht", sagte der zyprische Außenminister Ioannis Kasoulides: "Das wird nicht von uns entschieden." Zypern sei über den Chemiewaffeneinsatz "so nahe bei uns" sehr besorgt. Sein Land sei bereit, europäische und amerikanische Bürger aufzunehmen, die möglicherweise in Sicherheit gebracht werden müssten. Wichtig seien jetzt "gemeinsame Anstrengungen für die Verteidigung Zyperns, falls es Vergeltungsangriffe geben sollte".
"Ich hoffe, dass die Menschen in der gesamten EU eine starke Antwort auf den Einsatz von Chemiewaffen befürworten", sagte der britische Außenminister Willam Hague. Die Regierung in London war vom Unterhaus an einer Beteiligung an dem Militäreinsatz gehindert worden. Hague sagte, Großbritannien schicke jetzt humanitäre Hilfe und Material zum Schutz vor Giftgas nach Syrien.
Mehr Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen
Die 28 EU-Staaten wollen angesichts knapper Kassen künftig enger in Verteidigungsfragen zusammenarbeiten. Dies vereinbarten die EU-Verteidigungsminister am Freitag in Vilnius (Litauen). Ein genauerer Rahmenplan zur Vermeidung von Doppelarbeit und zur Senkung unnötiger Kosten beispielsweise durch unterschiedliche Normen soll im Dezember von den Staats- und Regierungschefs bei einem Gipfeltreffen in Brüssel beschlossen werden.
"Es gibt Raum für Verbesserungen, wir sollten das besser machen, und wir sollten rationaler mit den Verteidigungsausgaben umgehen", sagte der stellvertretende Generalsekretär des Europäischen Auswärtigen Dienstes, Maciej Popowski, nach dem Treffen. Man sei sich über die Bedeutung der Verteidigungsindustrie einig gewesen.
Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hatte in einem Papier für die Verteidigungsminister betont, die Sicherheit Europas sei eine Grundlage seines Wohlstands gewesen: "Wir müssen jetzt verhindern, dass die wirtschaftlichen Probleme Europas die Fähigkeit beeinträchtigen, für die eigene Sicherheit zu sorgen."
Die Verteidigungsausgaben der 28 EU-Staaten sind Angaben der EU-Kommission zufolge in den zehn Jahren bis 2010 um rund 22 Prozent auf 194 Milliarden Euro gesunken. Für 2010 bis 2013 sei ein weiterer Rückgang um zehn Prozent anzunehmen.
Verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit
Nach Angaben von Diplomaten herrschte Einigkeit darüber, dass nur mit verstärkter grenzüberschreitender Zusammenarbeit die Ausrüstung des Militärs und die Überlebensfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie gesichert werden könnten. Die Außen- und Verteidigungsminister Deutschlands und Frankreichs hatten in einem am Freitag bekanntgewordenen gemeinsamen Schreiben an die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton "kühne Entscheidungen" über neue "ehrgeizige, aber realistische Ziele" in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik gefordert.
Unter anderem regten Berlin und Paris an, die Bedingungen für einen Einsatz der schnellen Eingreiftruppe der EU zu "optimieren". Diese alle sechs Monate neu gebildeten "Battle Groups" sind in den zehn Jahren seit ihrer Gründung noch kein einziges Mal eingesetzt worden. "Battle Groups" sollten auch zur Ausbildung anderer Militärs eingesetzt werden können. "Der Entscheidungsprozess ist zu langwierig", sagte auch der litauische Verteidigungsminister Juozas Olekas. "Wir müssen die Battle Groups besser nutzen."
Bei der gemeinsamen Nutzung und Entwicklung militärischer Fähigkeiten soll sich die EU dem deutsch-französischen Papier zufolge auf entscheidende Mängelbereiche wie den Lufttransport, die Luftbetankung, die medizinische Versorgung oder Aufklärung beispielsweise durch unbemannte Drohnen konzentrieren.
Diplomaten sagten, in umstrittenen Finanzierungsfragen zeichne sich auch nach dem Ministertreffen noch keine Einigung ab. Ashton schlug vor, einen "Anschubfonds" zu schaffen, mit dem Einsätze der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) finanziert werden könnten, für die im EU-Haushalt keine Mittel vorhanden sind. Dies wird allerdings von Deutschland und anderen reicheren Ländern ebenso abgelehnt wie eine Neuordnung der Finanzierung der "Battle Groups".
dpa/rkr - Bild: Tomas Luksys (afp)