Die internationale Gemeinschaft ist beim G-20-Gipfel gescheitert, den Weg für Frieden in Syrien zu ebnen. Die Angriffspläne der USA gegen das Regime des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad spalteten die weltgrößten Volkswirtschaften (G20). Zum Ende des zweitägigen Treffens im russischen St. Petersburg stand US-Präsident Barack Obama im Kreis der Staats- und Regierungschefs am Freitag weitgehend isoliert da. Als einer der engsten Verbündeten Syriens warnte der russische Präsident Wladimir Putin die USA vor dem Bruch des Völkerrechts. Obama nimmt Assad in die Verantwortung für den vermuteten Giftgaseinsatz mit mehr als 1400 Toten am 21. August.
Wirtschaftspolitisch konnte die Gipfelrunde Erfolge vorweisen. Für global operierende Großkonzerne wie Google und Apple soll es künftig schwerer werden, durch legale Geschäfte zwischen Tochterunternehmen im großen Stil Steuern zu sparen. Im Kampf gegen Steuerflucht privater Anleger wollen die G20-Staaten einen automatischen Austausch von Informationen über Geldgeschäfte.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte nach den Beratungen kaum Hoffnung für eine Wende in der Syrien-Krise: "Es ist im Augenblick noch nicht absehbar, dass es hier zu einer einheitlichen UN-Resolution und einheitlichen UN-Bewertung kommt." Es gebe breite Übereinstimmung, einen politischen Prozess in Gang zu setzen. Auch Länder wie China und Russland müssten ihren Beitrag leisten, damit eine Friedenskonferenz in Genf zusammenkomme.
Gegner und Befürworter eines Militärschlages hielten sich nach russischer Einschätzung in etwa die Waage, wie Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte.
Persönliches Gespräch
Trotz ihres offensichtlich schlechten Verhältnisses suchten Putin und Obama am Rande des Gipfels doch noch ein persönliches Gespräch. "Die Gegensätze bleiben bestehen", sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow der Agentur Interfax. Die beiden saßen etwa 30 Minuten zusammen.
Ein Schlaglicht auf den Zustand der amerikanisch-russischen Beziehungen warfen Äußerungen der neuen US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power. Scharf kritisierte sie die Haltung Moskaus Blockade-Haltung im Sicherheitsrat: "Russland hält diesen Rat weiter als Geisel."
Trotz der Angriffspläne will auch Obama ein Ende des Bürgerkrieges mit inzwischen mehr als 100.000 Toten auf dem Verhandlungsweg. An der geplanten Genfer Konferenz müsse auch Russland teilnehmen, sagte Obamas stellvertretender Sicherheitsberater Ben Rhodes.
Dennoch treibt Obama die Vorbereitungen für den Angriff voran. Nach einem Bericht der "New York Times" sollen mehr Ziele in Syrien ins Visier genommen werden. Obama reagiere auf Geheimdienstberichte, wonach das syrische Militär Waffen in Erwartung eines Angriffs verlegt hätten, berichtete die Zeitung am Freitag unter Berufung auf Regierungsbeamte.
US-Sicherheitsbehörden erwarten nach Informationen des "Wall Street Journal" iranische Vergeltungsmaßnahmen im Fall eines Angriffs in Syrien.
Politische Herausforderung
Für die Europäische Union ist ein möglicher US-Angriff eine politische Herausforderung. Die 28 Mitglieder suchen weiter eine gemeinsame Haltung. "Die Diskussion dauert noch an(...)", sagte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Frankreich will als bisher einziges EU-Land an einer US-geführten Militäraktion teilnehmen.
Die Europäische Union und die Vereinten Nationen forderten mehr humanitäre Hilfe für die Bürgerkriegsopfer in Syrien. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte: "Die humanitäre Lage in Syrien ist schlimm und wird schlimmer." Nach Angaben von Ban Ki Moon sind 4,25 Millionen Menschen in Syrien auf der Flucht, weitere zwei Millionen hätten das Land verlassen. “Ungeachtet der Unsicherheit und Gefahren für die Mitarbeiter in Syrien werden die Vereinten Nationen und deren Partner bleiben und weitermachen”, sagte der UN-Generalsekretär.
Der seit zweieinhalb Jahren andauernde Bürgerkrieg forderte bereits mehr als 100.000 Tote. Nach den Worten Barrosos brauchen 6,8 Millionen Menschen in Syrien Hilfe, davon seien 3,1 Millionen Kinder.
Hilfsorganisationen forderten die G20 auf, endlich eine politische Lösung für Syrien zu finden. "Es gibt keine Alternative zu einer internationalen Friedenskonferenz in Genf", so die Kinderhilfsorganisation World Vision.
Der achte G20-Gipfel seit dem Fast-Zusammenbruch der Weltwirtschaft 2008 konnte Fortschritte in der gemeinsamen Wirtschaftspolitik verbuchen. Zufrieden zeigte sich Merkel mit den Vereinbarungen gegen Steuerflucht und zu Schattenbanken.
Die G20 habe sehr erfolgreich beraten, sagte sie. Die Runde sei überzeugt gewesen, dass das Vertrauen in die Euro-Zone zurückkehre. Die Lage der Weltwirtschaft werde aber als fragil eingeschätzt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sagte mit Blick auf die Entspannung in der Euro-Schuldenkrise: "Wir sind nicht mehr im Zentrum der Aufmerksamkeit, im Gegenteil."
Aufstrebende Nationen wie Indien oder Brasilien leiden unter Währungsverfall und Wirtschaftsturbulenzen. Die Ankündigung der US-Notenbank Fed, die Politik des billigen Geldes zu beenden, hatte zu einem Kapitalabfluss aus Schwellenländern geführt. Bei dem Gipfel habe es keinen Zusammenstoß zwischen diesen Ländern und den USA um deren Geldpolitik gegeben, sagten Diplomaten.
Europa sei für Wirtschafts- und Finanzreformen gelobt worden, so Barroso. In den vergangenen Jahren stand die Eurozone wegen der Schuldenkrise in einigen Mitgliedstaaten wie Griechenland bei internationalen Spitzentreffen regelmäßig am Pranger.
Merkel begrüßte, dass es endlich einen Zeitplan gibt, um Regeln für Schattenbanken aufzustellen. Dies sei hart erkämpft worden. Schattenbanken operieren wie Großbanken mit ähnlichen Geschäften in Milliarden-Höhe, unterstehen aber laxeren Kontrollen
Wichtig sei auch der automatische Informationsaustausch im Kampf gegen Steuerflucht sowie die Übernahme der OECD-Vorschläge, um die legale Steuervermeidung durch große Konzerne zu vermeiden.
Kampf gegen Steuerflucht
Hilfsorganisationen begrüßten die Einigung zum Kampf gegen Steuerflucht, wünschten sich aber, dass ärmere Staaten eingebunden werden. "Mit der Einigung auf ein faireres globales Steuersystem haben die G20 einen entscheidenden Schritt gegen Steuervermeidung getan", sagte Oxfam-Sprecher Jörn Kalinski.
Auch auf Druck Deutschland sei das Stillhalteabkommen im Kampf gegen weltweite Handelsbarrieren nochmals um zwei Jahre verlängert worden, sagte Merkel. Damit verpflichten sich die G20, bis 2016 keine zusätzlichen protektionistischen Maßnahmen zu ergreifen.
Angesichts der weiter labilen Weltwirtschaft forderte Xi Jinping die G20-Staaten auf, ihr eigenes Haus in Ordnung zu bringen. Bei seiner ersten Teilnahme an einem G20-Gipfel sagte er, die G20-Staaten müssten enger zusammenarbeiten. China versuche, sich zu reformieren und Hindernisse für langfristiges Wirtschaftswachstum zu beseitigen, wie die amtlichen Nachrichtenagentur Xinhua Xi Jinping zitierte. Das Wachstum in China fällt 2013 voraussichtlich auf 7,5 Prozent - so wenig wie seit zwei Jahrzehnten nicht mehr.
Martin Romanczyk, dpa/est/rkr - Bild: Kirill Kudryavtsev (afp)