Kontrolleure sind in vier deutschen Kliniken auf schwerwiegende Verstöße bei der Vergabe von begehrten Spenderorganen gestoßen. 14 Monate nach dem Auffliegen des Transplantationsskandals geriet damit neben den Unikliniken Göttingen, Leipzig und München Rechts der Isar auch das Universitätsklinikum Münster (UKM) in Verdacht.
Durch Falschangaben sollen Patienten auf der Warteliste nach vorn gerückt sein. Das UKM wies die Vorwürfe zurück. Insgesamt soll es an weit mehr Kliniken als bisher bekannt zu Verstößen gekommen sein, wie die Prüfungs- und Überwachungskommission von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen am Mittwoch in Berlin mitteilte.
In 15 der 24 Leberzentren entdeckten die Kontrolleure im Prüfzeitraum 2010 und 2011 kleinere Richtlinienverstöße. Verdacht auf systematische oder bewusste Falschangaben gebe es hier keinen, sagte die Vorsitzende der Prüfungskommission, Anne-Gret Rinder. Laut dem Bericht der Kommissionen kam es im größten dieser Zentren in Essen 2010 und 2011 in zehn Fällen zu Verstößen, zu ebenso vielen in Jena.
In Göttingen, wo der frühere Leiter der Transplantationsmedizin vor Gericht steht, habe es eine Vielzahl systematischer oder bewusster Falschaussagen gegeben. "Wir haben in Leipzig, München rechts der Isar und Münster ebenfalls eindeutige Anhaltspunkte für systematische Falschangaben, wenn auch teilweise in zahlenmäßig geringerem Umfang", sagte Rinder. Der Bericht nennt 79 Verstöße in Göttingen, 76 in Leipzig, 38 in München, 25 in Münster.
Die Klinik in Münster hatte bereits nach einem anonymen Hinweis über angebliche Unregelmäßigkeiten im August die Staatsanwaltschaft informiert. 16 Vorwürfe weist das UKM in einer Stellungnahme nun zurück, weil hier die Richtlinien der Bundesärztekammer nicht eindeutig zu interpretieren seien. Die Verstöße am UKM seien keinesfalls kriminell, betonte die Kammer. Es geht hier auch es um unterschiedliche Bewertungen von Dialyseverfahren. Wer eine Dialyse braucht, bekommt für die Warteliste mehr Punkte.
Im Göttinger Organspende-Prozess legten Zeugenaussagen am Mittwoch nahe, dass Menschen an der dortigen Uniklinik möglicherweise fälschlich als Dialysepatienten eingestuft wurden. Die Klinikleitung in Leipzig betonte, durch Änderungen seien alle Bedingungen geschaffen, Richtlinienverstöße in Zukunft zu verhindern.
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