Das noch vor kurzem zu vernehmende Kriegsgeheul ist verstummt: Frankreich und Großbritannien üben sich nach dem Säbelrasseln der letzten Tage in Zurückhaltung. Es wird abgewartet, neu analysiert und reflektiert.
Ein schneller militärischer Schlag des Westens gegen das Assad-Regime in Syrien wird immer unwahrscheinlicher. Cameron hat in England eine derbe Abstimmungsschlappe erlitten, Hollande hat beschlossen, die Veröffentlichung des Berichts der UN-Experten zum Einsatz chemischer Waffen abzuwarten und Obamas Umfeld setzte zwischenzeitlich ebenfalls auf Verzögerungstaktik.
Fest steht, dass eben nicht mit letzter Sicherheit geklärt ist, wer für den Einsatz chemischer Waffen in Syrien die Verantwortung trägt. Im Übrigen war und ist es nicht Aufgabe der UN-Experten gewesen, diese Frage zu erörtern.
Die Informationen des US-amerikanischen Geheimdienstes werden unterschiedlich gewertet. Dessen Überzeugung, dass Assad die Chemiewaffen gegen sein Volk eingesetzt hat, wird von vielen nicht geteilt. Zu Recht: Die Weltgemeinschaft hat aus der Lügenschichte der USA über Massenvernichtungswaffen von Irak-Diktator Saddam Hussein aus dem Jahr 2003 ihre Lehren gezogen.
In weite Ferne gerückt ist eine gemeinsame Resolution im UN-Sicherheitsrat. Nicht nur Russland vertritt dort die These, dass auch den syrischen Rebellen ein Einsatz von Chemiewaffen zuzutrauen ist. Die syrische Opposition wiederum ließ verlauten, dass ihr ein militärisches Eingreifen des Westens nicht unbedingt willkommen ist. Sie knüpfte daran Bedingungen.
So sagte ein Sprecher, es helfe wenig, kurzzeitig gegen Assad vorzugehen und seine Stellungen zu bombardieren, um sich dann wieder zurückzuziehen. Assads Bodenabwehr gilt als eine der besten weltweit, ein schnelles Ende des Regimes wird nicht zu erzwingen sein. Und was die ganze Region betrifft: Der viel zitierte drohende Flächenbrand könnte schon bald schreckliche Wirklichkeit werden.
Die Lage in Syrien ist vollkommen unübersichtlich: In den religiösen Bürgerkrieg sind unterschiedliche Gruppen verwickelt, längst sind die blutigen Auseinandersetzungen zu einer humanitären Katastrophe geworden. Selbstverständlich hat der demokratisch geprägte Westen die Pflicht, auf Kriegsverbrechen wie jetzt in Vorderasien zu reagieren und unschuldige Opfer zu schützen.
Diese Haltung vertritt auch die belgische Regierung, die zwar auf Bestrafung der Verantwortlichen in Syrien setzt, einen Militärschlag jedoch gründlicher abwägen möchte. Dass Reden und Verhandeln allemal besser ist als Bomben, gilt auch in diesem Fall. Der Friedensnobelpreisträger Obama ist da anderer Meinung. Er sieht den Beweis erbracht, dass Assads Militär das Giftgas eingesetzt hat. Allerdings, so heißt es aus US-Regierungskreisen, sei die Attacke aus dem Ruder gelaufen. Den hohen Blutzoll hätten Assads Truppen nicht beabsichtigt. Diese Informationen gingen eindeutig aus Abhörprotokollen von Telefongesprächen hervor.
Wie auch immer: Die USA suchen jetzt nach einer Koalition der Willigen. Wenn diese nicht zustande kommt, wird die Weltmacht Nummer eins wohl alleine losschlagen. Die Gefahr dabei: Es könnte zu einer unbeherrschbaren Eskalation der Gewalt kommen - mit allen erdenklichen Risiken für die Region und die Weltgemeinschaft. Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz Peer Steinbrücks absolut richtig. Der deutsche SPD-Kanzlerkandidat fordert eine 72-stündige Waffenruhe und eine Syrienkonferenz mit der Beteiligung von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon, US-Präsident Barack Obama, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und einem Spitzenvertreter der Arabischen Liga.