Nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz in Syrien erwägen die USA einem Zeitungsbericht zufolge einen bis zu zwei Tage dauernden Militärschlag. US-Präsident Barack Obama prüfe eine Intervention von begrenztem Umfang und begrenzter Dauer, berichtete die "Washington Post" am Dienstag online unter Berufung auf hochrangige Regierungsvertreter.
Ausgeführt werden sollte er mit von Kriegsschiffen abgefeuerten Marschflugkörpern oder Langstreckenbombern. Richten sollte sich die Attacke gegen militärische Ziele, die nicht direkt zum Chemiewaffen-Programm des Landes gehörten.
Der Zeitpunkt des Militärschlags hängt demnach von drei Faktoren ab: der Vervollständigung von Geheimdienstinformationen über die Verwicklung der syrischen Führung in den angeblichen Giftgasangriff von vergangener Woche, den Beratungen mit Verbündeten sowie dem Kongress und der Prüfung der internationalen Rechtslage. Experten gehen davon aus, dass ein militärisches Eingreifen wohl erst nach der Ausreise der UN-Chemiewaffeninspekteure aus dem Land erfolgen würde.
Ölpreise wegen möglichen Militärschlags gestiegen
Die Ölpreise sind nach Berichten über einen bevorstehenden Militärschlag der USA gegen Syrien leicht gestiegen. Ein Barrel der Nordseesorte Brent kostete am Morgen 111 US-Dollar. Das waren 34 Cent mehr als am Freitag.
Rote Linie überschritten
US-Außenminister John Kerry hatte zuvor erklärt, die USA seien von einem Giftgaseinsatz in Syrien überzeugt. Damit ist die von der Regierung gezogene "rote Linie" überschritten. Deren Sprecher Jay Carney machte klar, dass es für Washington kaum noch Zweifel gebe, dass Damaskus hinter dem angeblichen Angriff mit Hunderten Toten steckt. "Wir meinen, dass es sehr wenig Zweifel gibt, dass Syrien verantwortlich ist", sagte Carney am Montag in Washington. Allein das Regime von Baschar al-Assad verfüge über Raketen, um Chemiewaffen abzuschießen.
Carney wollte jedoch nicht sagen, wann und auf welche Weise die USA und die internationale Gemeinschaft auf den Giftgaseinsatz reagieren wollten. "Wir überlegen uns unsere Optionen und der Präsident wird eine Entscheidung treffen." Kerrys Ausführungen waren die bislang schärfsten verbalen Angriffe auf das Assad-Regime. Es sei jetzt völlig klar, das Chemiewaffen eingesetzt worden seien.
Gespräche mit Russland abgesagt
Die UN-Vetomacht Russland, ein enger Verbündeter Syriens, warnte die USA vor einer militärischen Einmischung. Moskau bezweifelt weiter, dass das syrische Regime Giftgas eingesetzt hat. Das sagte Russlands Präsident Wladimir Putin in einem Gespräch mit britischen Premierminister David Cameron nach Angaben der Downing Street in London.
Die USA haben unterdessen die für Mittwoch geplanten bilateralen Gespräche mit Russland über eine neue Friedenskonferenz abgesagt. Moskau reagierte enttäuscht auf die Absage des Treffens. Vizeaußenminister Gatilow sagte, eine Ausarbeitung von Optionen für eine politische Lösung in Syrien wäre gerade jetzt wichtig gewesen, wenn dem Land ein Militärschlag droht.
Untersuchungen gehen weiter
Die UN-Chemiewaffenexperten setzen heute (Dienstag) ihre Untersuchungen fort, erklärte UN-Sprecher Farhan Haq in New York. Bereits am Montag habe das Team "wertvolle Daten" zu den Giftgas-Vorwürfen gesammelt. Das UN-Team war zu Beginn ihres Einsatzes am Montag unter Beschuss von Heckenschützen geraten. Ihr Konvoi wurde beschossen, als die Fahrzeuge die imaginäre Frontlinie passierten. Rebellen berichteten, regierungstreue Milizen hätten vom Messe- Militärflughafen aus das Feuer auf das UN-Team eröffnet.
Berichte über Militärtransporte
Syrische Revolutionäre haben von verdächtigen Militärtransporten auf einer Anhöhe am Stadtrand von Damaskus berichtet. In der Nacht seien alle Lichter rund um einen Armeestützpunkt ausgeschaltet worden, während gleichzeitig mehrere Konvois hinein- und hinausgefahren seien, meldete der sogenannte Revolutionsrat von Damaskus.
Der Stützpunkt war im vergangenen Mai von Israel bombardiert worden. Er soll angeblich zuletzt für Raketenangriffe auf Rebellenhochburgen im Umland von Damaskus genutzt worden sein. Es ist nicht klar, ob diese Transporte mit den Planungen mehrerer Nato-Staaten für einen möglichen Militärschlag gegen Syrien zusammenhängen.
dpa/est - Bild: Saul Loeb (afp)