Papst Franziskus hat die internationale Gemeinschaft in einem erneuten Appell aufgefordert, nachdrücklicher nach einer friedlichen Lösung für den syrischen Bürgerkrieg zu suchen. Die Welt müsse die tragische Lage in Syrien mehr wahrnehmen und alles tun, um durch Dialog diesen Krieg zu beenden, der Zerstörung und Tod bringe, sagte Franziskus am Sonntag nach dem Angelus-Gebet vor den Gläubigen auf dem Petersplatz.
Offensichtlich mit Blick auf die Berichte über einen mutmaßlichen Giftgasangriff beklagte er die "fürchterlichen Bilder" verstärkter Gewalt. In diesem "Bruderkrieg" müsse der Lärm der Waffen zum Schweigen gebracht werden, verlangte der Papst.
USA sammeln nach angeblichem Gasangriff in Syrien weiter "Fakten"
Nach den mutmaßlichen Giftgasangriffen durch das syrische Regime lässt das Weiße Haus mögliche Schritte weiter offen. Stunden nach einem Treffen von Präsident Barack Obama und dessen Sicherheitsteam hieß es in einer knappen Mitteilung am Samstag, die US-Geheimdienste sammelten weiterhin in "Koordination mit internationalen Partnern" Fakten, um einwandfrei festzustellen, was vorgefallen sei. Dabei würden auch Dutzende Augenzeugenschilderungen und Berichte über die Symptome der Getöteten beachtet.
Obama habe außerdem den von ihm angeforderten detaillierten Überblick über eine Reihe von möglichen Optionen für die USA und die internationale Gemeinschaft erhalten, "um auf den Einsatz von chemischen Waffen zu antworten".
Wie weiter mitgeteilt wurde, telefonierte der Präsident am Samstag auch mit dem britischen Premierminister David Cameron. Dabei hätten beide ihre "tiefe Besorgnis" über den angeblichen Einsatz von Chemiewaffen am 21. August geäußert. Die USA und Großbritannien blieben in engen Konsultationen, was diesen Vorfall und die möglichen internationalen Reaktionen beträfen.
3600 Syrer mit "neurotoxischen Symptomen"
Ärzte ohne Grenzen teilte mit, in drei von der Hilfsorganisation unterstützten Krankenhäusern im Großraum Damaskus seien am Mittwochmorgen in weniger als drei Stunden 3600 Menschen mit "neurotoxischen Symptomen" aufgenommen worden. Sie hätten unter Krämpfen, starkem Speichelfluss und Atemnot gelitten. Ihre Pupillen seien stark verengt und der Blick verschwommen gewesen. Alles deute darauf hin, dass sie einem Nervengift ausgesetzt gewesen seien. 355 von ihnen sind nach Angaben der Krankenhausmitarbeiter gestorben.
Die US-Marine habe ihre Flottenpräsenz im östlichen Mittelmeer verstärkt, berichtete der Nachrichtensender CNN. Ein Zerstörer sei zu den drei dort kreuzenden Schiffen gestoßen. Die Schiffe seien mit Marschflugkörpern bewaffnet.
Laut CNN überarbeitete das Militär seine Optionen für ein Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg. Ein Beamter des Verteidigungsministeriums erklärte dem Sender, die Liste von Zielen für mögliche Luftangriffe sei aktualisiert worden. Die Planungen würden die Verwendung von Marschflugkörpern einschließen. Obama hatte am Freitag zu den Giftgasvorwürfen erklärt: "Das berührt langsam Kerninteressen der USA." Zugleich äußerte er "große Sorge".
Hollande: Assad für Chemiewaffeneinsatz verantwortlich
Der französische Präsident François Hollande hat der syrischen Regierung eine Bestrafung wegen des Einsatzes von Chemiewaffen angedroht. Es gebe ein "Bündel Belege" dafür, dass es am 21. August einen Chemiewaffeneinsatz bei Damaskus gegeben habe, erklärte Hollande dem Élyséepalast zufolge am Sonntag. Alles deute darauf hin, dass das Regime von Präsident Baschar al-Assad dafür verantwortlich sei. Frankreich sei entschlossen, "diese Tat nicht ungestraft zu lassen".
Die Mitteilung des Präsidialamtes erfolgte nach einem Telefonat Hollandes mit dem australischen Regierungschef Kevin Rudd. Hollande und Rudd würden sich bald "über die Antworten" auf den Chemiewaffeneinsatz austauschen. Australien übernimmt im kommenden Monat den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat.
Hollande rief Damaskus auf, "umfassend" mit den UN-Inspekteuren zusammenzuarbeiten und ihnen freien Zugang zu den Orten des Chemiewaffeneinsatzes zu geben. Außerdem vereinbarte er ein Gespräch mit dem britischen Premierminister David Cameron über mögliche Reaktionen.
Bei Chemiewaffeneinsatz starke Reaktion der Weltgemeinschaft
Frankreichs Außenminister Laurent Fabius hat eine starke Reaktion der internationalen Gemeinschaft gefordert, sollte ein Giftgasangriff bei Damaskus bewiesen werden. Fabius traf am zweiten Tag eines Nahost-Besuchs in Jerusalem mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres zusammen.
Es wäre undenkbar, dass die Weltgemeinschaft im Falle von Beweisen für einen Giftgasangriff am Mittwoch nicht stark reagiere, sagte Fabius nach Angaben des Präsidentenamtes am Sonntag. Peres äußerte sich ähnlich. "Das Massaker in Syrien muss gestoppt werden", sagte der Staatspräsident. Moralische Erwägungen seien wichtiger als alle anderen.
Fabius äußerte sich vorsichtig optimistisch über die neu aufgenommenen Friedensgespräche Israels mit den Palästinensern. "Der Frieden ist in Reichweite und beide Seiten haben den Willen zu Fortschritten", sagte er. Insbesondere angesichts der unruhigen Lage im Nahen Osten sei eine Friedensregelung zwischen Israel und den Palästinensern wichtig.
Fabius war am Samstag in Ramallah mit dem Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas und dem Ministerpräsidenten Rami Hamdallah zusammengekommen. Er wollte in Israel auch den Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Verhandlungsführerin Zipi Livni treffen.
Iran warnt USA vor Militärintervention in Syrien
Der Vizekommandeur der iranischen Streitkräfte hat die USA vor einer Militärintervention in Syrien gewarnt. "Die USA kennen die rote Linie bezüglich Syrien, jegliche Überschreitung dieser Linie wird gravierende Folgen fürs Weiße Haus haben", sagte Massud Dschsajeri am Sonntag.
Die syrische Regierung sei Opfer einer Propagandawelle der Amerikaner und einiger arabischer Staaten in der Region geworden. "Alle Länder, die die Krise in Syrien weiter eskalieren wollen, müssen sich auf die Rache der Nationen gefasst machen", sagte der General laut der Nachrichtenagentur Fars.
Außenminister Mohammed Dschawad Sarif sagte den Medien, sein syrischer Amtskollege habe ihm versichert, dass die Regierung in Damaskus UN-Inspektionen zulassen werde. Sarif bezweifelte jedoch, dass die syrische Regierung die Giftangriffe verübt habe. Er warf vielmehr "Terroristen" in Syrien vor, mit solchen Angriffen die Krise noch weiter eskalieren zu wollen.
Der iranische Präsident Hassan Ruhani hatte am Samstag die Giftgasangriffe in Syrien verurteilt und zugleich die internationale Gemeinschaft zur Besonnenheit aufgerufen. Der Iran steht im Konflikt auf der Seite von Präsident Baschar al-Assad, Teherans engster Verbündeter im Kampf gegen den Erzfeind Israel.
Assad wirft Rebellen Einsatz von Giftgas vor
In der Giftgas-Krise geht das syrische Regime in die Offensive. Die Staatsmedien verbreiteten am Sonntag Fotos und Erklärungen der Armee, die beweisen sollen, dass angeblich die Rebellen am Stadtrand von Damaskus Giftgas eingesetzt haben. Dies sei auch durch russische Satelliten-Aufnahmen belegt, zitierte die Nachrichtenagentur Sana Informationsminister Omran al-Soabi.
Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif vertrat nach Angaben des Senders Press TV in einem Telefongespräch mit seiner italienischen Amtskollegin Emma Bonino ebenfalls die Meinung, Rebellen hätten in Syrien Giftgas eingesetzt. Er sagte, die syrische Regierung "hat uns versichert, dass sie nie solche unmenschlichen Waffen eingesetzt hat". Die Führung in Damaskus sei bereit, den UN-Experten Zugang zu den betroffenen Gebieten zu gewähren. Dies hatte Al-Soabi allerdings kurz zuvor noch kategorisch ausgeschlossen.
Unterdessen gingen die Kämpfe in den Gebieten weiter, die nach Angaben von Regimegegnern am vergangenen Mittwoch von Assads Armee mit Giftgas bombardiert worden waren. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, am Ortseingang von Duma seien Boden-Boden-Raketen eingeschlagen.
Giftgas-Inspekteure schon am Montag im Osten von Damaskus
Die Chemiewaffeninspekteure der Vereinten Nationen sollen nach UN-Angaben schon am Montag mit der Untersuchung des angeblichen Giftgasangriffes östlich von Damaskus beginnen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon habe den Leiter der Gruppe, den schwedischen Professor Åke Sellström, angewiesen, dem Vorfall höchste Priorität zu geben, hieß es am Sonntag aus dem UN-Hauptquartier in New York. Bei dem Angriff am Mittwoch sollen nach Behauptung der Rebellen mehr als 1000 Menschen ums Leben gekommen sein.
Ban bestätigte noch einmal, dass die syrische Regierung die "nötige Zusammenarbeit" zugesagt habe, einschließlich einer "Einstellung der Feindseligkeiten an der Stelle des Vorfalls". Die Zustimmung aus Damaskus kam überraschend, weil das Regime zuvor monatelang gemauert und den von ihm selbst angeforderten UN-Experten die Einreise verweigert hatte. Die Zustimmung gilt als Erfolg der deutschen UN-Spitzendiplomatin Angela Kane.
br/dpa/mh/sd - Bild: Tiziana Fabi (afp)