Ohne große Anteilnahme der Bevölkerung hat in Kairo der Prozess gegen das Oberhaupt der ägyptischen Muslimbruderschaft begonnen. Mohammed Badie und seine beiden Stellvertreter Chairat al-Schater und Raschad al-Bajumi erschienen am Sonntag nicht im Gerichtssaal. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Angeklagten seien aus Sicherheitsgründen nicht zum Gericht gebracht worden. Der Vorsitzende Richter hob die Sitzung bereits nach wenigen Minuten auf.
Den drei Islamisten wird vorgeworfen, sie hätten ihre Anhänger Ende Juni dazu aufgerufen, Demonstranten vor dem Hauptquartier der Islamisten-Bewegung in Kairo zu töten. Der Richter vertagte den Prozess auf den 29. Oktober und wies das Innenministerium an, die Angeklagten dann zum Gericht zu bringen.
Etwa zur gleichen Zeit begann in Kairo - allerdings in einem anderen Stadtteil - eine weitere Sitzung im Prozess gegen den Ex-Präsidenten Husni Mubarak und seine beiden Söhne Alaa und Gamal. Mubarak steht wegen der Tötung von mehr als 800 Demonstranten während der Massenproteste Anfang 2011 vor Gericht. Er war vergangenen Donnerstag aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Seither lebt er in einem Militärkrankenhaus, wo ihn die Regierung unter Arrest gestellt hat.
Mubarak verfolgte die Sitzung vom "Angeklagten-Käfig" aus auf einem Stuhl sitzend. Gesundheitlich schien es ihm gut zu gehen. Sein Anwalt, Farid al-Dib, forderte, da sich die Vorwürfe gegen den Ex-Präsidenten auf die Tötung von Demonstranten in mehreren Provinzen bezögen, müssten mehr detaillierte Angaben aus den verschiedenen lokalen Polizeistationen vorgelegt werden. Der Prozess soll am 14. September fortgesetzt werden.
Der 85-jährige Mubarak war in einem ersten Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil wurde jedoch später wegen Verfahrensfehlern aufgehoben.
Mohammed Badie soll sich bei Verhören im Gefängnis geweigert haben, Fragen zu beantworten. Er war am vergangenen Montag in einer Wohnung in Kairo verhaftet worden. In den vergangenen Tagen waren Hunderte von Mitgliedern der Muslimbruderschaft festgenommen worden, weitere sind abgetaucht. Die Islamisten-Bewegung hatte nach der Entmachtung ihres Präsidenten Mohammed Mursi durch das Militär am 3. Juli eine Protestwelle gestartet. Die Proteste waren von Angriffen radikaler Islamisten auf Polizeistationen und christliche Einrichtungen begleitet, von denen sich die Muslimbrüder aber distanziert haben.
Internationaler Museumsrat fürchtet um Ägyptens Kulturschätze
Der Internationale Museumsrat (ICOM) sieht die Kulturgüter Ägyptens durch die Unruhen und Gewalt in Gefahr. Plünderungen und Raubgrabungen führten dazu, dass versucht werde, Exponate und archäologische Funde illegal im Ausland zu Geld zu machen, sagte die Ägyptologin Regine Schulz der Nachrichtenagentur dpa. Sie ist Direktorin des Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museums und Mitglied der ICOM-Geschäftsführung.
"Die Lage ist schwierig", sagte Schulz. Zum einen sei das Land finanziell an der Grenze und die Bezahlung von Aufsichtskräften sei schwierig. "Wenn die Leute nicht bezahlt werden, sind sie auch nicht vor Ort." Zum anderen komme es in großem Maße zu Raubgrabungen. Ein Grund sei der kriminelle Kunsthandel. "Aber auf der anderen Seite haben ganz viele Familien dort kein richtiges Einkommen mehr." Viele Ägypter, die in Ländern des arabischen Umbruchs gearbeitet hätten, seien nach Hause zurückgekehrt und hätten keinen Job. "Es kommen ganz viele ungünstige Faktoren zusammen. Wir machen uns riesige Sorgen darum."
Großen Schaden habe es vor wenigen Tagen auch bei einem Einbruch in das Museum in Mallawi gegeben. "Da ist eine Polizeistation gestürmt worden und dann in dem Zusammenhang das danebenliegende Museum. Das ist eine ganz große Tragödie", meinte Schulz. "Da ist das ganze Museum ausgeräumt worden, ganz wenige Gegenstände waren noch vorhanden, ein paar sind dazu auch noch verbrannt."
Mit einer bereits vor eineinhalb Jahren erstellten Roten Liste der Kulturgüter Ägyptens, einer "Emergency Red List", versuche der Internationale Museumsrat, einen Ausverkauf ägyptischer Kunst und Kultur zu verhindern. "Die Liste wird verteilt an Zollbehörden, an Auktionshäuser, Museen, an alle Leute, die irgendwie mit solchen Objekten zu tun haben", sagte Schulz. Auch von dem ausgeraubten Museum in Mallawi gebe es eine gute Liste, die eine örtliche Kollegin für eine Veröffentlichung erstellt hatte. "Die versuchen wir im Internet an Ägyptologen überall weiterzuleiten." Wenn gestohlene Objekte auftauchten, ließen diese sich identifizieren.
"Aber alle Sachen, die illegal ausgegraben sind, da haben sie keine Fotos, keine Maßangaben", meinte die Ägyptologin. "Da können sie nur sagen: Wenn Sie so ein Stück sehen, Herr Zollbeamter, fragen Sie genau nach, wo es herkommt." Wenn dies unklar bleibe, müsse davon ausgegangen werden, dass das Objekt gerade frisch in Ägypten raubgegraben worden sei.
Die meisten Grabungsprojekte internationaler Ägyptologen seien inzwischen zum Stillstand gekommen, auch wegen der Reisewarnungen. Auch ein Hildesheimer Projekt in Ramsesstadt werde im Herbst - wenn überhaupt - nur in kleinem Umfang wieder aufgenommen. "Wir müssen jetzt erst einmal abwarten, ob wir eine Sicherheitsgenehmigung der Behörden bekommen. Außerdem wollen wir unsere Leute nicht gefährden", sagte Schulz. "Wir müssen einfach schauen, wie sich die Situation jetzt weiterentwickelt."
dpa/dradio/mh/sd - Gianluigi Guercia (afp)