Nach Berichten über den angeblichen Einsatz von Giftgas bereiten sich die USA auf ein mögliches militärisches Eingreifen im syrischen Bürgerkrieg vor. Laut dem Nachrichtensender CNN aktualisierte das Militär seine Optionen. Ein hoher Beamter des US-Verteidigungsministeriums erklärte dem Sender am Freitag, die Liste für Ziele von möglichen Luftangriffen sei auf den neuesten Stand gebracht worden. Die Planungen würden auch die Verwendung von Marschflugkörpern einschließen.
Auch der US-Sender CBS berichtete von Pentagon-Planungen für einen Cruise-Missile-Angriff auf syrische Regierungstruppen. Es werde erwartet, dass US-Generalstabschef Martin Dempsey am heutigen Samstag Optionen für einen Angriff bei einem Treffen im Weißen Haus vorlegen werde, hieß es bei CBS weiter. Eine Entscheidung von Präsident Barack Obama steht aber noch aus.
Auch sei die Flottenpräsenz der USA im östlichen Mittelmeer verstärkt worden, berichtete CNN. Ein Zerstörer sei zu den drei dort operierenden Schiffen gestoßen. Die Schiffe seien mit Marschflugkörpern bewaffnet.
Hagel: Obama bittet Pentagon um Optionen für Syrien
US-Präsident Barack Obama hat das Verteidigungsministerium zur Ausarbeitung von Optionen für ein mögliches Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg aufgefordert. Verteidigungsminister Chuck Hagel sagte am Freitag auf dem Flug von Hawaii nach Asien nach Angaben des Pressedienstes der Streitkräfte, das Pentagon habe die Pflicht, dem Präsidenten Optionen für alle Eventualitäten anzubieten. Zu den Optionen zähle immer auch die militärische.
Hagel betonte, die USA müssten ihre langfristigen Ziele und Interessen bei einer Entscheidung berücksichtigen. Der Verteidigungsminister verlangte eine zügige Aufklärung von Vorwürfen, dass Soldaten des syrischen Machthabers Baschar al-Assad Chemiewaffen gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hätten.
Obama sagte am Freitag: "Das berührt langsam Kerninteressen der USA." Zugleich äußerte er "große Sorge". Obama hatte früher mehrfach davon gesprochen, dass der Einsatz von Giftgas durch Assad das Überschreiten einer "roten Linie" bedeute. Bei CNN äußerte er sich nun deutlich zurückhaltender. Der Einfluss der USA werde "überschätzt". Bei einem Einsatz ohne UN-Mandat müsse man auch die Frage stellen: "Haben wir eine Koalition, die es machbar machen würde?"
Insbesondere der einflussreiche US-Senator John McCain drängt Obama seit langem zum militärischen Eingreifen. "Wir können die Start- und Landebahnen zerstören und 40 oder 50 Flugzeuge (der syrischen Luftwaffe) zerstören", sagte der ehemalige republikanische Präsidentschaftsbewerber ebenfalls CNN. Die Rebellen könnten mit Raketen versorgt werden, damit sie eine Flugverbotszone einrichten können. Dies würde keinen einzigen US-Soldaten in Gefahr bringen.
Großbritannien geht inzwischen davon aus, dass das Regime von Machthaber Baschar al-Assad hinter dem Angriff steckt. Einen sicheren Beweis dafür gibt es aber weiter nicht. Das Assad-Regime verweigerte einem Team von UN-Inspekteuren bislang den Zugang.
Giftgas in Syrien: UN erhöhen den Druck
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte die syrische Regierung mit Nachdruck auf, den angeblichen Einsatz von Giftgas von den UN-Inspekteuren untersuchen zu lassen. Die Vereinten Nationen schickten die Hohe Repräsentantin für Abrüstung, Angela Kane nach Damaskus. Sie soll einen Zugang der UN-Chemiewaffeninspekteure zu den angeblich bombardierten Dörfern aushandeln. "Der Generalsekretär fordert die syrischen Behörden auf, positiv, umgehend und ohne Verzögerung auf seine Anfrage zu antworten, zumal die syrische Regierung selbst Interesse an der Aufklärung bekundet hat."
Das Regime von Präsident Baschar al-Assad hatte den Einsatz von Giftgas am vergangenen Mittwoch zunächst bestritten, nachdem Revolutionäre Videoaufnahmen verbreitet hatten, die Opfer von Giftgasattacken in mehreren Dörfern zeigen sollen. Am Samstag hieß es dann vonseiten des Regimes, die Rebellen hätten offensichtlich im Nordosten der Hauptstadt Giftgas eingesetzt. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, mehrere Soldaten hätten bei ihrem Vormarsch in das Viertel Dschobar Erstickungsanfälle erlitten.
Der französische Außenminister Laurent Fabius sagte dagegen während eines Aufenthaltes in der palästinensischen Stadt Ramallah: "Alle Informationen, die uns momentan zur Verfügung stehen, deuten darauf hin, dass in Syrien unweit von Damaskus ein Massaker mit chemischen Waffen stattgefunden hat, und dass das Regime von Baschar al-Assad dahinter steckt."
Derweil traf die deutsche UN-Diplomatin Kane in der syrischen Hauptstadt ein. Bislang wurde den Experten, die sich bereits seit dem vergangenen Sonntag in Syrien aufhalten, mit Hinweis auf die andauernden Kämpfe nicht erlaubt, die betroffenen Bezirke zu besuchen.
Der Allgemeine Rat für die Revolution berichtete am Samstag von neuen Kämpfen und Luftangriffen in mehreren Gebieten im Umland von Damaskus. Die Exil-Opposition hatte zuvor erklärt, sie wolle dafür sorgen, dass die UN-Inspekteure bei einem Besuch der betroffenen Ortschaften im Osten und Süden der Hauptstadt nichts von den Rebellen zu befürchten hätten.
Das UN-Team hatte nach langwierigen Verhandlungen der Vereinten Nationen mit der syrischen Regierung lediglich die Erlaubnis erhalten, drei Orte zu untersuchen, in denen vor Monaten Giftgas eingesetzt worden sein soll: Chan al-Asal in der Provinz Aleppo, Al-Ateibe in der Provinz Damaskus-Land und die Stadt Homs. Die Assad-Regierung und die Rebellen werfen sich seit einigen Monaten immer wieder gegenseitig den Einsatz chemischer Kampfstoffe vor.
Der Schweizer Chemiewaffenexperte Stefan Mogl erklärte im Deutschlandradio Kultur, die UN-Inspekteure hätten nur wenige Tage Zeit, um einen Einsatz von Nervengas im Blut und Urin der Opfer zweifelsfrei nachzuweisen. Im Boden ließen sich Spuren von Kampfstoffen auch noch später finden. Nach Sichtung der Videos gehe er davon aus, dass die Vorwürfe gegen das Regime mit großer Wahrscheinlichkeit zuträfen, sagte der frühere Waffeninspekteur. Die Symptome wiesen auf einen Nervenkampfstoff hin, doch die Bilder ließen keinen Rückschluss auf Ort und Opfer zu.
dpa/jp/mh - Archivbild: Michael Reynolds (epa)