Nach der Geiselnahme in Ingolstadt ist eine Debatte um schärfere Stalking-Gesetze entbrannt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte, es sei zwar richtig, bei dem Thema über schärfere Strafen nachzudenken. Entscheidend sei aber, dass die Gerichte zu einer richtigen Einschätzung des Täters kämen: "Wenn die Gefahr eines solchen Täters nicht richtig erkannt wird, dann nützt der entsprechende höhere Strafrahmen als solches auch noch nichts", sagte Herrmann im Bayerischen Rundfunk.
Im Ingolstädter Rathaus hatte am Montag ein Stalker drei Menschen stundenlang als Geiseln festgehalten. Am Abend beendete ein Spezialeinsatzkommando der Polizei die Tat. Die Geiseln konnten unverletzt befreit werden. Der Mann wurde angeschossen und wird derzeit im Krankenhaus behandelt.
Der vorbestrafte 24-Jährige hat laut Polizei schon längere Zeit massive psychische Probleme. Seit mehreren Monaten stellte er einer Rathausmitarbeiterin nach, die dann auch unter den Geiseln war. Der Täter sollte am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Das werde voraussichtlich am Nachmittag geschehen, sagte ein Polizeisprecher.
Stalking-Paragraf greife nicht richtig
Die Vorsitzende der Deutschen Stalking-Opferhilfe, Erika Schindecker, kritisierte in der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag), der Stalking-Paragraf greife nicht richtig. "Die Hürden sind zu hoch. Erst muss etwas ganz Schlimmes passieren, bis ermittelt wird." Schärfere Gesetze könnten manchen Stalker davon abhalten, massiv gegen das Opfer vorzugehen, sagte Schindecker.
Bayerns Justizministerin Beate Merk forderte härtere Strafen. Der "Augsburger Allgemeinen" (Dienstag) sagte Merk, das jetzige Gesetz berücksichtige nicht, wie stark ein Opfer durch das Stalking seelisch belastet werde. "Es muss reichen, dass die Attacken eines Stalkers geeignet sind, die Lebensführung des Opfers schwerwiegend zu beeinträchtigen."
In Deutschland gibt es nach Angaben Schindeckers jährlich schätzungsweise zwischen 600.000 und 800.000 Fälle von Nachstellungen. Die polizeiliche Kriminalstatistik erfasste 2012 rund 24.600 Stalking-Fälle.
Polizei-Gewerkschafter und der Bayerische Städtetag sprachen sich gegen verschärfte Sicherheitsmaßnahmen in Rathäusern aus. Die Geiselnahme in Ingolstadt sei ein Einzelfall gewesen.
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