Die Staatsmacht in Ägypten geht weiter gegen die Muslimbruderschaft vor. Deren Oberhaupt Mohammed Badia wurde in der Nacht zum Dienstag verhaftet. Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte der Nachrichtenagentur dpa, Badia habe sich in einem Gebäude in Nasr City versteckt gehalten. Badia wird die Anstiftung zu tödlicher Gewalt gegen Demonstranten vorgeworfen.
Ein großer Teil der Führung der Muslimbruderschaft sei mittlerweile in Gewahrsam, sagte ein Korrespondent des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira am Dienstagmorgen. Der Tierarzt Badia hatte - wie viele Mitglieder der Islamisten-Organisation - mehrere Jahre als politischer Häftling im Gefängnis gesessen.
Ermittlungen gegen Mohammed Mursi
Gegen den Anfang Juli abgesetzten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi leitete die Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen der Beteiligung an der Tötung von Demonstranten im Dezember 2012 ein. Gleichzeitig sei in diesem Verfahren eine Untersuchungshaft von 15 Tagen angeordnet worden, meldete die Website des Staatsfernsehens am Montag.
Wie genau Mursis Rolle bei den gewaltsamen Übergriffen auf Demonstranten vor dem Ittihadija-Palast in Kairo ausgesehen haben soll, wurde nicht genannt. Der vom Militär entmachtete islamistische Präsident sitzt bereits wegen einer angeblichen Verschwörung mit der radikalen Palästinenserbewegung Hamas bei der Befreiung von Insassen eines Gefängnisses 2011 in Untersuchungshaft.
Nach den Unruhen der vergangenen Tage mit Hunderten Toten hatte die Übergangsregierung über ein Verbot der islamistischen Muslimbruderschaft diskutiert. Der Vorschlag, die Muslimbruderschaft für illegal zu erklären, stammt von Übergangsministerpräsident Hasim al-Biblawi. Er sagte: "Es kann keine Versöhnung geben, mit denjenigen, an deren Händen Blut klebt". In den vergangenen Tagen wurden Hunderte von Mitgliedern der Muslimbruderschaft festgenommen.
Die Muslimbruderschaft war während der Amtszeit des 2011 gestürzten Präsidenten Husni Mubarak offiziell verboten gewesen. Ihre neu gegründete Partei für Freiheit und Gerechtigkeit ging aus der Parlamentswahl nach dem Sturz Mubaraks als stärkste politische Kraft hervor. Laut Umfragen hat sie seither einen großen Teil ihrer Popularität eingebüßt. Mohammed Mursi war 2012 als Kandidat der Muslimbrüder zum Präsidenten gewählt worden. Am 3. Juli 2013 setzte ihn das Militär nach Massenprotesten ab.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bezeichnet die Lage in Ägypten als "sehr besorgniserregend". "Dennoch werden wir in unseren diplomatischen Bemühungen (um eine friedliche Lösung des Konflikts) nicht nachlassen", sagte sie der "Passauer Neuen Presse" (Dienstag). Die deutsche Regierung werde die Zusammenarbeit mit Ägypten "im Lichte der weiteren Entwicklung auf den Prüfstand" stellen.
Der saudische Außenminister Prinz Saud al-Faisal versprach Ägypten unterdessen im Bedarfsfall Finanzhilfe. Al-Faisal betonte am Montag nach Angaben der saudischen Nachrichtenagentur SPA, sollten die westlichen Staaten ihre Zahlungen für Ägypten kürzen oder mit Kürzungen drohen, würden die arabischen und muslimischen Länder Ägypten helfen. Al-Faisal verteidigte zudem das Vorgehen des ägyptischen Militärs gegen die Islamisten.
Muslimbrüder nach Verhaftung ihres Oberhauptes kämpferisch
Die ägyptischen Muslimbrüder wollen ihren Kampf gegen die neuen Machthaber auch nach der Verhaftung ihres Oberhauptes, Mohammed Badia, fortsetzen. Ein Sprecher der Bewegung erklärte am Dienstag, Badia sei letztlich auch nur eines von vielen Mitgliedern der Bruderschaft, die tief in der ägyptischen Gesellschaft verankert sei. Die Kampagne der Bewegung gegen den "Militärputsch" werde weitergehen, erklärte Ahmed Aref.
Mitglieder und Sympathisanten der Muslimbruderschaft starteten nach der Verhaftung eine Kampagne im Kurznachrichtendienst Twitter unter dem Motto "Ich bin der Murschid". "Murschid" ist der Titel des Oberhauptes der Muslimbrüder. Die Gegner der islamistischen Regierung hatten während ihrer Protestaktionen, die am 30. Juni in einer Massenkundgebung mit Millionen von Teilnehmern endete, "Nieder mit der Herrschaft des Murschid" gerufen, weil Badia aus ihrer Sicht der Strippenzieher war und Mursi seine Marionette.
Der Iran hat sich zutiefst besorgt über die Krise in Ägypten nach der Verhaftung des Muslimbrüder Oberhauptes Mohammed Badia geäußert. "Die Dimensionen der Krise sollten über rationale Gespräche gemindert werden, sonst könnten die Spannungen zu einem Bürgerkrieg führen", sagte der Sprecher des Außenministeriums Abbas Araghchi am Dienstag. Beide Seiten in Ägypten sollten sich bewusst sein, dass der Sieger dieser Krise im Endeffekt nur Israel wäre, so der Sprecher auf einer Pressekonferenz.
UN-Generalsekretär ermahnt Ägypter zum Dialog
Unterdessen hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon das Militär und die Muslimbruderschaft in Ägypten erneut zum Dialog aufgerufen. Angesichts der Polarisierung in der ägyptischen Gesellschaft trügen die Machthaber und die politischen Führer gemeinsam die Verantwortung, für ein Ende der Gewalt zu sorgen, erklärte Ban vor Journalisten in New York.
Die Ägypter hätten "das Recht und die Verantwortung, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden". Allerdings seien die Vereinten Nationen bereit, Bemühungen zur Beendigung der Krise zu unterstützen.
CNN: USA reduzieren vorübergehend Ägyptenhilfe
Die USA sollen Medienberichten zufolge einen Teil der milliardenschweren Militärhilfe für Ägypten vorübergehend auf Eis gelegt haben. Die Regierung von Präsident Barack Obama wolle einige der Mittel "umprogrammieren", meldete der Nachrichtensender CNN am Dienstagmorgen unter Berufung auf das Büro des demokratischen Senators Patrick Leahy. Dieser leitet einen Unterausschuss zur Bereitstellung finanzieller Auslandshilfen. Details wurden allerdings nicht bekannt.
Leahys Sprecher habe bestätigt, dass sein Büro über die Aussetzung der Hilfen informiert worden sei, hieß es weiter. Es sei aber keine Entscheidung über einen dauerhaften Stopp getroffen worden. Laut CNN hält sich die US-Regierung damit letztlich die Option offen, die Militärhilfe weiterzuzahlen oder diese einzustellen.
Obama hatte zuvor den harten Kurs der Übergangsregierung in Kairo kritisiert und eine gemeinsame Militärübung amerikanischer und ägyptischer Streitkräfte abgesagt. Nach Angaben der Recherchestelle des US-Kongresses fließen jedes Jahr rund 1,3 Milliarden Dollar nach Kairo. Die USA vermeiden es, seit dem Umsturz Anfang Juli von einem "Putsch" zu sprechen. Nach geltendem Recht müssten in diesem Fall die milliardenschwere Hilfszahlungen an das Land sofort gestoppt werden. Seit Wochen heißt es stattdessen aus dem Weißen Haus, die Finanzhilfe werde überprüft.
dpa/cd - Bild: Muslimbruderschaft (epa)