Fünf Stunden nach Beginn der Geiselnahme im Rathaus von Ingolstadt ist der Dritte Bürgermeister Sepp Mißlbeck frei. Angaben darüber, wie der Kommunalpolitiker gerettet wurde oder ob er freigelassen wurde, machte die Polizei zunächst nicht. In der Gewalt des 24 Jahre alten Geiselnehmers seien weiterhin eine Frau und ein Mann. Beiden gehe es soweit gut, erklärte ein Polizeisprecher.
Bei der Frau soll es sich um die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung handeln, die seit längerer Zeit von dem 24-Jährigen verfolgt wird. Er habe einer Mitarbeiterin des Rathauses nachgestellt und Hausverbot in der Stadtverwaltung, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Montag vor Ort. In den vergangenen Wochen sei der Konflikt eskaliert, nachdem der Mann gegen das Hausverbot verstoßen habe, erklärte Herrmann.
"Der Begriff Stalker erscheint mir etwas verharmlosend, weil er doch eine ganze Liste von Vorstrafen hat, die weit über das hinausgeht, was man als Stalking bezeichnet", sagte Oberbürgermeister Alfred Lehmann über den 24-Jährigen. Er sei wegen Körperverletzung und Bedrohungsdelikten bekannt. Unter den Geiseln ist auch Ingolstadts Dritter Bürgermeister Sepp Mißlbeck sowie vermutlich die von dem Mann verfolgte Frau.
Der Täter hat nach Polizeiinformationen eine Faustfeuerwaffe. Ob die Waffe scharf oder nur eine Schreckschusspistole ist, sei bisher unklar. Der Geiselnehmer hatte zunächst keine Forderungen gestellt. Es gebe regelmäßigen Kontakt des Krisenstabes zu dem Mann.
Merkel sagt Wahlkampfauftritt ab
Ein Wahlkampfauftritt der deutschen Kanzlerin Angela Merkel direkt vor dem Rathaus wurde wegen der Geiselnahme abgesagt. Die CDU-Chefin sollte um 17:00 Uhr zusammen mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer direkt auf dem seit dem Morgen weiträumig abgesperrten Rathausplatz auftreten. Einen Zusammenhang zwischen dem geplanten Merkel-Besuch und der Geiselnahme sieht die Polizei nicht. "Ich denke, dass das nicht das Motiv sein dürfte", sagte ein Sprecher.
Der 24-Jährige war am Montagvormittag kurz vor 9:00 Uhr in das Alte Rathaus der oberbayerischen Stadt gegangen und hatte die Geiseln genommen. Die Polizei war mit mehr als 200 Beamten im Einsatz. Ein Spezialeinsatzkommando bereitete sich vor Ort auf einen möglichen Einsatz vor.
Auch Schaulustige versammelten sich rund um den abgesperrten Rathausplatz. "Die stehen da und warten, dass was passiert", sagte eine Verkäuferin, die in der Nähe des Platzes arbeitet. Ein Café direkt am Rathausplatz war zunächst noch geöffnet. "Wir verköstigen jetzt die Einsatzkräfte", sagte ein Mitarbeiter. Andere Geschäfte im Bereich des Einsatzortes mussten schließen.
dpa/cd/mh - Bild: Peter Kneffel (afp)