Aus westlicher Sicht waren die Fronten zu Beginn des Arabischen Frühlings klar: Aufständische wehrten sich gegen die jahrzehntelange Vormundschaft durch den Diktator Mubarak. Das war zu begrüßen. Doch schaffte Ägypten es nicht, die Früchte der Revolution zu ernten. Das Land droht als ein Failed state, als ein gescheiterter Staat in einen Bürgerkrieg abzugleiten.
Die Hauptkonfliktlinie verläuft entlang der Frage: Wie weit ist der Islam, nicht nur ein Glaubens- sonder auch ein Gesellschaftsmodell? Islamismus, wie er auch von Mursis Moslembrüdern propagiert wird, sieht die Religion als Basis der Staatsordnung. Er neigt daher dazu, anstelle des Volkes Gott zum Souverän zu erklären. Das ist das Gegenteil von Demokratie und führt zwangsweise in die Diktatur.
Wer seine Macht und seine Gesetze auf Gottes Willen beruft, ist schnell von seiner eigenen Unfehlbarkeit überzeugt. Den Wunsch, den Staat auf Basis des Islams aufzubauen, haben die Moslembrüder schon in der ägyptischen Verfassung eingebracht. Einmal an der Macht hat Mursi genau dort weiter gemacht und das junge, neue Ägypten nach islamistischem Vorbild umgebaut. Gemäß seiner Ideologie hat er vom Wähler dazu den Auftrag bekommen.
Demokratie darf aber nicht nur ein Vehikel sein, um ein undemokratisches System zu etablieren. Kein Wunder, dass sich die säkularen Revolutionäre verraten fühlen. Islamismus ist in der ägyptischen Bevölkerung immerhin noch so verbreitet, dass die Feinde der Demokratie an die Macht gelangt sind.
Was auch heute noch fehlt, ist eine "islamische Aufklärung". Nur langsam setzt sich in arabischen Ländern die Überzeugung durch, dass auf Religion kein Staatsapparat aufzubauen ist und erst die Trennung von Religion und Staat zu Freiheit und Wohlstand führt. Die entscheidende Rolle darin spielt eine breit verankerte Bildung des Volkes. Es wird wohl noch mehr als eine Generation brauchen, bis auch in der arabischen Welt Konsens darüber besteht, dass ein islamistischer Staat Unterdrückung und Unfreiheit bedeutet, man mit der Wahl der Moslembrüder für die eigene Entmündigung und gegen die Demokratie stimmt.
Die arabische Welt muss daher eigene Lösungen finden. Eine eigene Gesellschaftsordnung konstruieren, die einerseits Diktatur verhindert, andererseits Rücksicht auf gewachsene Traditionen nimmt, um allgemein akzeptiert zu werden. Dann erst kann sie sich langsam hin zu einer Demokratie wandeln, die nicht Gefahr läuft, sich selbst abzuschaffen. Im Fall der gegensätzlichen Interessen von Demokraten und Islamisten mutet es wie die Quadratur des Kreises an - ist aber der einzig nachhaltige Weg.
Dass ein "Überstülpen" westlicher Demokratiemodelle nicht funktioniert, zeigen die gescheiterten Versuche des "Nationbuilding" in Afghanistan und im Irak. Das bedeutet aber nicht, dass der Westen in der Ägyptenfrage untätig bleiben soll. Die Gewalt vergiftet das Zusammenleben. Und auch innerhalb der beiden Lager steigt die Spannung zwischen denen, die Gewalt als Lösung ansehen und denen, die auf Diplomatie setzen. Demütigung und Unterdrückung waren aber noch nie eine Basis für Frieden.
Am Ende wird man doch gemeinsam am Verhandlungstisch sitzen. Den muss die Staatengemeinschaft, um nicht zu sagen die Vereinten Nationen, nun vorurteilsfrei aber bestimmt anbieten.
Im Islam gibt es keine Trennung zwischen Religion und Politik. Ist auch vom Konzeipt nicht vorgesehn. Und diese zu fordern, ist genau so unsinnig wie von einer Kuh zu verlangen, Eier zu legen anstatt Milch zu geben. Eine solche Trennung bzw. die Einführung der Demokratie sind nicht die Voraussetzung für ein funktionierendes Staatswesen. Sonst würden Staaten wie Iran oder Saudi-Arabien nicht existieren.
Man sollte diese Völker und Länder doch auch mal ihre internen Konflikte austragen lassen und sicht nicht ständig von aussen einmischen.
Im übrigen gibt es auch einen "Gottestaat" in Europa, wo der Herrscher Stellvertreter Gottes auf Erden ist. Wer mag das wohl sein ? Antwort : Der Papst als Staatsoberhaupt des Vatikanstaates. Dieser existiert auch schon seit Hunderten von Jahren und funktioniert, sonst würde er heute nicht mehr existieren.
Demokratie ist ein westliches Konzept und kein Exportmodell, Herr Krickel. In christlich geprägten Gesellschaften mag sie mit all ihren Schwächen einigermaßen funktionieren, aber in Gesellschaften mit anderer religiöser Prägung (sei sie nun islamisch, shintoistisch oder buddhistisch) ist Demokratie nicht unbedingt anwendbar. Nehmen Sie nur die Ölstaaten als Beispiel: In Saudi-Arabien etwa herrscht keine Demokratie. Trotzdem gibt es ein funktionierendes Staatswesen und einen großen Reichtum. Die herrschende Prinzenfamilie führt sich nicht wie Kadhafi auf, sondern führt ihr Land zwar patriarchalisch, aber mit Blick auf das Wohl der Einwohner. Gleiches gilt für China: Vordergründig eine demokratische Volksrepublik, ist dieses Land eigentlich kapitalistisch und autoritär regiert.Auch in Europa gibt es solche Staaten, die sich an der äußersten Grenze des demokratischen Staatswesens bewegen: Liechtenstein und Monaco, die von einem fast allmächtigen Fürsten regiert werden.