Libyens stellvertretender Ministerpräsident Awad al-Baraasi hat wegen einer Welle von Attentaten seinen Rücktritt eingereicht. Die Regierung von Ministerpräsident Ali Seidan habe bei der Durchsetzung von Recht und Ordnung versagt, sagte der aus der östlichen Stadt Bengasi stammende Politiker zur Begründung. "Mir selbst wurden nicht genug Machtbefugnisse zugestanden, um etwas an der Situation zu ändern", fügte er hinzu.
Seidan akzeptierte in der Nacht zum Sonntag den Rücktritt seines Stellvertreters, der Mitglied der von den Muslimbrüdern gegründeten Partei für Gerechtigkeit und Aufbau ist.
Sozialministerin Kamila al-Masini nahm unterdessen ihre Entscheidung zurück, die Regierung ebenfalls zu verlassen. Al-Masini, die auch aus der östlichen Stadt Bengasi kommt, hatte vor einer Woche während einer Protestkundgebung in Bengasi aus ähnlichen Gründen wie nun auch Al-Baraasi ihren Rücktritt erklärt. Sie erklärte am Sonntag, sie habe sich jetzt aber entschlossen, die Behinderten, Pensionäre, Witwen und Waisenkinder, um deren Wohlergehen sich das Ministerium kümmert, nicht im Stich zu lassen.
Das post-revolutionäre Libyen war in den vergangenen Wochen von einer Serie von Attentaten auf Aktivisten und Angehörige der Sicherheitskräfte erschüttert worden. In Bengasi brachen im Juli mehr als 1000 Häftlinge aus einem Gefängnis aus.
Am Sonntag trat der neue Generalstabschef der libyschen Armee, Generalmajor Dschadallah al-Obeidi, seinen Dienst an. Auch er stammt aus Bengasi. "Es ist wichtig, dass niemand Gerüchte über die militärischen Institutionen und ihre Vertreter streut, besonders in sozialen Netzwerken", sagte er vor Journalisten in Tripolis. Sein Vorgänger, General Jussif al-Mankusch, hatte am 9. Juni seinen Rücktritt eingereicht. Er reagierte damit auf Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Milizionären in Bengasi, bei denen damals 40 Menschen getötet worden waren.
Der Sonntag war auch der erste Arbeitstag für die Mitglieder der Wahlkommission, die mit der Vorbereitung der Wahl eines Verfassungsrates betraut wurde. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Lana meldete, trafen sie sich gleich zu Beratungen mit Vertretern der Vereinten Nationen. Einen Termin für die Wahl gibt es allerdings noch nicht.
dpa/okr